Die Eismumie
hatte mehrere Haarsträhnen in einer Bürste und in dem Siphon des Waschbeckens im Bad gefunden. Darüber hinaus gab es die Ergebnisse der Blutsenkung Richard Ackermans, die drei Jahre zuvor im Northwestern Hospital von Chicago gemacht worden war. Es lag auch eine Reihe von Gewebeproben vor, die die Spurensicherung an den Tatorten gemacht hatte – eine Kopfschuppe, ein Hautpartikel, ein einzelnes Haar und ein Abstrich von einem feuchten Fleck auf der Leiche von Carolyn Kenly, den man für Speichel hielt. Sie besaßen außerdem auch einen partiellen Fingerabdruck des Täters – an einem der Tatorte hatte die Spurensicherung einen verschmierten Abdruck auf einem Knopf gefunden, der sie vermuten ließ, dass der Sun-City-Killer bei seinen Morden keine Handschuhe trug. Für einen Abgleich mit Ackermans Fingerabdrücken fehlte ihnen jedoch das entsprechende Material.
Der genetische Fingerabdruck des Täters aber war eine andere Geschichte.
Das Labor in Virginia fand heraus, dass der Killer ein «Sekretor» war. Das bedeutete, die Blutgruppe des Täters und die genetischen Informationen konnten auch durch andere Körperflüssigkeiten bestimmt werden – nicht nur durch sein Blut. Aus dem winzigen Speichelrest, der auf dem Kleid Kenlys gefunden wurde, konnten die Labortechniker einen perfekten DNA-Fingerabdruck herleiten. Dieser Strang, der unter dem Mikroskop wie ein winziger Strichcode aussah, wurde nun mit den genetischen Informationen Ackermans verglichen. Die Haarprobe aus dem Haus in Wilmette passte perfekt. Der Test wurde dreimal wiederholt, bevor man mitten in der Nacht Tom Geisel von dem Ergebnis berichtete. Geisel unterhielt sich kurz mit der Laborleiterin, einer Deutschen namens Sabine Voerkrupper, bevor er sich ankleidete und eine landesweite Suche nach dem Täter einleitete.
Vor Jahren noch hätte eine einfache Fahndungsmitteilung genügt, damit alle Polizisten in den Vereinigten Staaten nach Richard Ackerman Ausschau gehalten hätten. Die Zentralen der Polizeistationen hätten über Funk die Streifenwagen verständigt, ihnen das Aussehen des vermeintlichen Täters und sein Vergehen geschildert und eine umgehende Verhaftung des Mannes autorisiert. Im neuen Jahrhundert war die Angelegenheit jedoch wesentlich komplizierter geworden. In einer Zeit zunehmender Strafprozesse musste auf eine strikte Einhaltung der in der Verfassung verbürgten Menschenrechte geachtet werden. Dies galt besonders in Fällen wie diesem, in denen ein landesweit aktiver Serienmörder sein Unwesen trieb – es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass ein Verdächtiger aufgrund von Verfahrensfehlern wieder auf freien Fuß gesetzt werden musste.
Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeidienststellen stellte das FBI seit jeher vor einige Probleme. Häufig genug beschuldigten die zuständigen Ermittler das Bureau, ihnen die Fälle wegzuschnappen und Pressemitteilungen rauszuschicken, bevor ein Verbrechen aufgeklärt worden war. Unter den Polizisten war das FBI sogar dafür berüchtigt, sich Fahndungserfolge auf die Fahnen zu schreiben, die in Wahrheit der örtlichen Polizei anzurechnen waren. Dennoch konnte das FBI nicht ohne die Hilfe der Ermittler vor Ort auskommen; sie waren elementarer Bestandteil groß angelegter Operationen wie dieser. Die Polizei kannte sich in ihren Einsatzgebieten aus und verfügte über wichtige Informanten. Deswegen war auch in den späten sechziger Jahren unter dem Namen «Reactive Crimes» eigens eine Einheit gegründet worden, die zwischen dem Bureau und den örtlichen Stellen vermitteln sollte.
Diese Einheit reagierte nur auf Verbrechen, die bereits geschehen waren, wie Bankraub oder Mord, und bei denen weder Täter noch Motiv offensichtlich waren. Sie sorgte dafür, dass die Kooperation zwischen dem FBI und den Polizeidienststellen verbessert wurde. Innerhalb dieser Einheit war eine Gruppe zur Kommandozentrale für aufwendige Verbrecherjagden geworden. Sie wickelte sämtliche Fahndungsmitteilungen ab, sorgte für reibungslose Kommunikation und die logistischen Aspekte bei der Verfolgung eines Verbrechers.
Gegen zwei Uhr dreißig in jener unruhigen Nacht rief Tom Geisel den Direktor dieser Gruppe an und informierte ihn über die jüngsten Entwicklungen im Sun-City-Fall. Zusätzlich faxte er ihm alle Akten und das gesamte Material, das Grove und Zorn über Richard Ackerman gesammelt hatten. Innerhalb der nächsten Stunde wurden digitale Bilder über Internet-Server an die regionalen
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