Die Eisprinzessin schläft
Jungs der Clique hatte praktisch der Zahn getropft, wenn sie ihren tiefen Ausschnitt und die langen Beine erblickten, und Jan hatte auf der Stelle beschlossen, daß er sie haben mußte. Normalerweise bekam er, was er wünschte, und Lisa war darin keine Ausnahme. Er sah nicht schlecht aus, aber was letztlich immer den Ausschlag gab, war, wenn er sich als Jan Lorentz vorstellte. Die Erwähnung des Familiennamens ließ die Augen der Frauen funkeln, und dann hatte er freie Bahn.
Anfangs war er von Lisas Körper wie besessen gewesen. Er konnte nicht genug von ihr bekommen, und es gelang ihm, die Ohren vor ihren einfältigen Bemerkungen gründlich zu verschließen, die sie mit schriller Stimme ständig von sich gab. Die neidischen Blicke anderer Männer, wenn er mit ihr am Arm auftauchte, taten das Ihre, um Lisas Anziehungskraft noch zu steigern. Anfangs waren ihre kleinen Hinweise, er solle sie zu einer ehrbaren Frau machen, auf unfruchtbaren Boden gefallen, und ehrlich gesagt hatte ihre Einfältigkeit auch allmählich zur Folge, daß sie ein wenig an Attraktivität verlor. Was jedoch letztlich den Ausschlag gab und den Gedanken, sie zu seiner Frau zu machen, unwiderstehlich werden ließ, war Nellys heftiger Widerstand gegen diese Idee. Sie verabscheute Lisa vom ersten Augenblick an und verpaßte keine Gelegenheit, ihren Standpunkt klarzumachen. Sein kindischer Wunsch, sich aufzulehnen, hatte ihn in seine jetzige Lage versetzt, und er verfluchte die eigene Dummheit.
Lisa machte einen Schmollmund, wie sie da bäuchlings auf ihrem breiten Doppelbett lag. Sie war nackt und tat ihr Bestes, um verführerisch zu wirken, aber ihn ließ das nunmehr kalt. Er wußte, daß sie eine Antwort erwartete.
»Du weißt, daß wir Mama nicht allein lassen können. Sie ist nicht gesund und kommt mit diesem Haus ohne uns nicht zurecht.«
Er drehte Lisa den Rücken zu und band sich vor dem großen Spiegel auf ihrem Toilettentisch den Schlips um. Im Spiegel sah er, daß sie verärgert die Brauen zusammenzog. Das stand ihr nicht.
»Kann der alte Drachen nicht so vernünftig sein und in irgendein nettes Heim ziehen, statt ihrer Familie zur Last zu fallen? Begreift sie denn nicht, daß wir das Recht auf ein eigenes Leben haben? Statt dessen müssen wir tagaus, tagein auf die Alte aufpassen. Und was bringt es ihr, auf all ihrem Geld zu sitzen? Ich wette, sie genießt es, daß wir uns erniedrigen und gezwungen sind, zu kriechen, um an die kleinen Brocken zu gelangen, die von ihrem Tisch herunterfallen. Begreift sie nicht, wieviel du für sie tust? Schuftest in dieser Firma und bist den Rest der Zeit noch ihr Babysitter. Die Alte gibt uns zum Dank für die Hilfe nicht mal die besten Zimmer im Haus, sondern wir müssen hier im Kellergeschoß wohnen, während sie sich in den Salons breitmacht.«
Jan drehte sich um und schaute seine Frau kalt an. »Habe ich dir nicht gesagt, daß du über meine Mutter nicht so reden sollst.«
»Deine Mutter.« Lisa schnaufte verächtlich. »Jan, du bildest dir doch wohl nicht ein, daß sie dich wirklich als Sohn betrachtet. Du wirst nie mehr als ein bedauernswerter Mensch für sie sein, an dem sie sich wohltätig erweisen kann. Wäre ihr geliebter Nils nicht verschwunden, wärst du sicher früher oder später achtkantig rausgeflogen. Jan, du bist nichts anderes als eine Notlösung. Wer würde denn sonst rund um die Uhr praktisch gratis für sie schuften? Das einzige, was du hast, ist ein Versprechen, daß du eines Tages, wenn sie abkratzt, all das Geld bekommst. Erstens aber dürfte das Weib leben, bis es mindestens hundert ist, und zweitens hat sie die Kohle bestimmt einem Heim für herrenlose Hunde vermacht und lacht sich hinter unserem Rücken ins Fäustchen. Manchmal bist du so verdammt blöd, Jan.«
Lisa rollte auf den Rücken und studierte ihre sorgfältig manikürten Nägel. Mit eiskalter Ruhe machte Jan einen Schritt auf sie zu. Er hockte sich vors Bett, wickelte ihre langen blonden Haare, die auf den Fußboden hinunterhingen, um seine Hand und begann langsam daran zu ziehen, immer fester und fester, bis sie vor Schmerz das Gesicht verzog. Er führte sein Gesicht dicht an das ihre, so nahe, daß er ihren Atem spürte, und zischte mit leiser Stimme: »Nenne mich nie, nie wieder blöd, hast du verstanden? Und glaube mir, das Geld wird eines Tages mir gehören. Die Frage ist nur, ob du lange genug hier bist, um in seinen Genuß zu kommen.«
Mit Zufriedenheit bemerkte er, wie sich in ihren Augen Furcht
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