Die Eisprinzessin schläft
zeigte. Er sah, wie ihr Gehirn, das voller Dummheit, aber auch voll primitiver Schläue war, die Information bearbeitete und zu dem Schluß kam, daß es Zeit war, die Taktik zu ändern. Sie streckte sich auf dem Bett aus, machte einen Schmollmund und wölbte die Hände um ihre Brüste. Sie ließ den Zeigefinger langsam um die Brustwarzen kreisen, bis sie steif wurden, und sagte einschmeichelnd: »Entschuldige, das war dumm von mir, Jan. Du weißt doch, wie ich bin. Manchmal rede ich, ohne zu denken. Kann ich dich irgendwie entschädigen?«
Sie sog suggestiv an ihrem Zeigefinger und führte die Hand dann an sich hinunter.
Jan fühlte widerstrebend, daß sein Körper reagierte, und kam zu dem Schluß, daß es wenigstens etwas gab, wofür sie gut war. Er knotete den Schlips wieder auf.
Mellberg kratzte sich versonnen zwischen den Beinen, ohne den Ausdruck des Widerwillens zu registrieren, den diese Geste auf den Gesichtern jener hervorrief, die um ihn versammelt saßen. Zu Ehren des Tages trug er einen Anzug, der zwar ein bißchen eng war, aber das schrieb er der chemischen Reinigung zu, wo jemand offenbar geschlampt und ihn in zu hoher Temperatur gewaschen hatte. Er brauchte sich nicht zu wiegen, um bestätigt zu bekommen, daß er nicht ein Gramm zugenommen hatte, seit er ein junger Rekrut gewesen war, und deshalb betrachtete er den Erwerb eines neuen Anzugs als reine Geldverschwendung. Gute Qualität war zeitlos. Daß die Idioten in der Reinigung ihre Arbeit nicht ordentlich machten, war schließlich nicht seine Schuld.
Er räusperte sich, um die volle Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen. Das Geplauder und das Scharren mit den Stühlen hörten auf, und die Blicke richteten sich auf ihn, der hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Aus dem ganzen Revier waren Stühle herbeigeschafft und im Halbkreis vor ihm aufgestellt worden. Mellberg schaute sein Personal mit feierlicher Miene an, ohne etwas zu sagen. Das hier war ein Augenblick, den er so lange wie möglich auskosten wollte. Er registrierte mit gerunzelter Stirn, daß Patrik entsetzlich ausgepumpt aussah. Zwar konnte das Personal in seiner Freizeit machen, was es wollte, aber wenn man bedachte, daß sie sich jetzt mitten in der Arbeitswoche befanden, dann sollte man ja wohl erwarten können, daß die Leute sich bei Alkohol und Festivitäten ein bißchen zurückhielten. Mellberg verdrängte effektiv die Erinnerung an die halbe Flasche, die im Laufe des gestrigen Abends in seine eigene Kehle gegluckert war. Er prägte sich ein, daß er mit dem jungen Patrik unter vier Augen zu reden hatte, und dabei würde er ihm seine Ansicht zum Umgang mit Alkohol in diesem Revier zu verstehen geben.
»Wie ihr zu diesem Zeitpunkt alle wißt, ist in Fjällbacka ein weiterer Mord geschehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß es zwei Mörder geben könnte, ist äußerst gering, und ich glaube deshalb, wir können davon ausgehen, daß dieselbe Person, die Alexandra Wijkner umgebracht hat, auch für den Mord an Anders Nilsson verantwortlich ist.«
Er genoß den Klang seiner eigenen Stimme sowie Eifer und Interesse, die er an den Gesichtern der Zuhörer ablesen konnte. Er fühlte sich in seinem Element. Er war dazu geboren, eine gehobene Position einzunehmen.
Mellberg fuhr fort: »Anders Nilsson wurde heute morgen von Bengt Larsson, einem seiner Saufkumpane, gefunden. Man hatte ihn erhängt, und nach einer ersten vorläufigen Information aus Göteborg hatte er dort schon mindestens seit gestern gehangen. Bis wir genauere Angaben erhalten, ist das die Hypothese, von der wir ausgehen.«
Er genoß es, das Wort Hypothese zu formulieren. Die Versammlung vor ihm war nicht sonderlich groß, aber in seiner Vorstellung waren es weitaus mehr Zuhörer, und ihr Interesse ließ nichts zu wünschen übrig. Und es waren seine Worte und seine Anweisungen, auf die alle warteten. Er blickte sich zufrieden im Kreis um. Annika schrieb eifrig auf einem Laptop, die Brille ganz vorn auf der Nasenspitze. Ihre wohlbemessenen weiblichen Formen waren mit einem äußerst gut sitzenden gelben Jackett und dem dazu passenden Rock bekleidet, und er zwinkerte ihr mit einem Auge zu. Das mußte reichen. Besser, man verwöhnte die Frau nicht. Neben ihr saß Patrik, der aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Schwere Lider, und die Augen, die man darunter kaum noch sah, waren deutlich rot geädert. Er mußte ihn sich wirklich bei nächster Gelegenheit vorknöpfen. Man hatte ja wohl das Recht,
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