Die Eisprinzessin schläft
der Wahrheit entsprach, war, daß nur eine Mutter diesen Ernst lieben konnte, bei dem zu den vorstehenden Zähnen, dem strähnigen Haar und den großen Ohren noch ein cholerisches Temperament und eine selbstgefällige Art hinzukamen. Jetzt hing er an Mellbergs Lippen, als wären dessen Worte Perlen, und er verpaßte keine einzige Gelegenheit, die anderen gereizt zur Ruhe zu mahnen, wenn sie sich erlaubten, das geringste Geräusch zu verursachen, das die Aufmerksamkeit von Mellbergs Ausführungen ablenken konnte. Eifrig wie ein Schuljunge streckte er jetzt die Hand in die Höhe, um eine Frage zu stellen.
»Woher wissen wir, daß er nicht von dem Saufkumpan umgebracht worden ist, der dann vielleicht nur so getan hat, als hätte er ihn heute morgen gefunden?«
Mellberg nickte Ernst Lundgren anerkennend zu. »Eine sehr gute Frage, Ernst, wirklich sehr gut. Aber wie ich schon sagte, gehen wir davon aus, daß wir es hier mit derselben Person zu tun haben, die Alex Wijkner ermordet hat. Aber kontrolliere für alle Fälle Bengt Larssons Alibi für den gestrigen Tag.«
Mellberg zeigte mit dem Stift auf Ernst Lundgren, während er den Blick über den Rest der Versammlung gleiten ließ.
»Solch waches Denken ist vonnöten, damit wir diese Sache hier lösen können. Ich hoffe, ihr habt zugehört und nehmt euch ein Beispiel an Ernst. Ihr habt noch eine Strecke vor euch, bevor ihr an sein Niveau heranreicht.«
Ernst schlug bescheiden die Augen nieder, doch sobald Mellberg seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenkte, konnte er es nicht lassen, den Kollegen einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. Annika schnaufte verächtlich und starrte, ohne zu zwinkern, zurück, als Lundgren wütend in ihre Richtung schaute.
»Wo bin ich stehengeblieben?« Mellberg schob die Daumen unter die Hosenträger, die er unter dem Jackett trug, und ließ seinen Stuhl herumwirbeln, so daß er mit dem Gesicht vor der Pinnwand landete, die hinter ihm hing und den Fall Alex Wijkner dokumentierte. Eine ebensolche Pinnwand war jetzt daneben angebracht, aber auf ihr war bisher lediglich ein Polaroidfoto zu sehen, das man von Anders gemacht hatte, bevor das Personal des Krankenwagens ihn abschnitt.
»Ja, also, was wissen wir bisher? Anders Nilsson wurde heute morgen gefunden, und entsprechend einem ersten vorläufigen Gutachten ist er bereits seit gestern tot, die Zeit läßt sich noch nicht genau sagen. Er ist von einer oder mehreren unbekannten Personen erhängt worden, vermutlich von mehreren, da es erhebliche Kraft erfordert, einen ausgewachsenen Mann so hoch zu heben, daß man ihn an der Decke aufknüpfen kann. Wir wissen jedoch nicht, wie man vorgegangen ist. Es sind keine Spuren eines Kampfes festzustellen, weder in der Wohnung noch an Anders’ Leiche. Keine blauen Flecken, die auf einen unsanften Umgang mit dem Körper vor oder nach Eintreten des Todes hinweisen. Das sind, wie gesagt, nur vorläufige Ergebnisse, aber wir dürften es bald genauer wissen, wenn Anders erst obduziert worden ist.«
Patrik hob den Stift, um sich bemerkbar zu machen. »Wie bald können wir mit den Ergebnissen der Obduktion rechnen?«
»Man hat dort offensichtlich einen ganzen Haufen Leichen liegen, und bisher habe ich leider nicht in Erfahrung gebracht, wann sie soweit sein können.«
Niemand schien erstaunt.
»Was wir außerdem noch wissen, ist, daß es eine deutliche Verbindung zwischen Anders Nilsson und unserem ersten Mordopfer, Alexandra Wijkner, gibt.«
Mellberg erhob sich jetzt und wies auf Alexandras Bild, das sich mitten auf der ersten Pinnwand befand. Sie hatten das Foto von ihrer Mutter erhalten, und erneut fiel allen auf, wie schön sie gewesen ist. Das ließ das Bild daneben, auf dem Alexandra mit bleichem, bläulich verfärbtem Gesicht und bereiften Haaren und Augenwimpern in der Wanne lag, noch entsetzlicher wirken.
»Dieses äußerst ungleiche Paar hatte eine sexuelle Beziehung, wie Anders selber zugegeben hat, und wie ihr wißt, sind wir auch im Besitz von Beweisen, die diese Behauptung bestätigen. Wir wissen jedoch nicht, wie lange die Sache schon ging, wie sie einander trafen, und vor allem nicht, warum eine schöne Frau aus der besseren Gesellschaft sich einen so merkwürdigen Bettgenossen ausgesucht hat wie diesen dreckigen, unappetitlichen Alki. Irgendwas ist an der Sache faul, das rieche ich.«
Mellberg schlug mit dem Zeigefinger ein paarmal an seine voluminöse, blau geäderte Nase. »Martin, du bekommst den Auftrag, die Sache
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