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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Strömung mächtiger als der Wind auf ein Boot einwirken mußte, das ebenso ohne Segelwerk war, wie alle Boote jener Inselbewohner, die nur mittelst Pagaien fortbewegt wurden.
    Für uns lagen jetzt die Verhältnisse so, daß die beiden Naturkräfte die »Halbrane« vereint der Mitte der Polarzone entgegenführten.
    So verlief der 10., der 11. und der 12. Januar. Von diesen Tagen wäre gar nichts zu erwähnen, außer einer gewissen Erniedrigung der Temperatur; die der Luft fiel nämlich auf achtundvierzig Grad Fahrenheit (+ 8·9° Celsius) und die des Wassers auf 33 (+ 0·56) Grad.
    Das war ein großer Unterschied gegenüber den Angaben Arthur Pym’s, nach denen – wenn man ihm glauben darf – die Wasserwärme so hoch war, daß man sie an der Hand nicht ertragen konnte.
    Wir waren übrigens erst in der zweiten Woche des Januar. Zwei Monate mußten noch verlaufen, ehe der Winter die Eisberge in Bewegung setzte, die Eisfelder und Triften formte, die ungeheueren Packeismassen aneinander löthete und die flüssigen Ebenen des Polargebietes erstarren machte. Auf jeden Fall darf als gewiß angenommen werden, daß es während des Sommers zwischen dem zweiundsiebzigsten und dem siebenundachtzigsten Breitengrade ein freies, bequem befahrbares Meer giebt.
    Dieses Meer ist auch in verschiedenen Breiten mehrfach durchmessen worden, von den Schiffen Weddell’s ebenso, wie von der »Jane« und der »Halbrane«, und warum sollte die südliche Halbkugel in dieser Beziehung nicht ebenso begünstigt sein, wie die nördliche?
    Am 13. Januar hatte ich ein Gespräch mit dem Hochbootsmann, das meine Besorgnisse bezüglich der bedrohlichen Stimmung unserer Besatzung weiter bestätigte.
    Die Leute frühstückten eben in ihrer Messe, mit Ausnahme von Drap und Stern, die augenblicklich auf dem Vorderdeck Wache hatten. Unter frischer Brise zertheilte die Goëlette mit allen oberen und unteren Segeln die mäßigen Wellen. Francis stand am Ruder und steuerte nach Südsüdosten.
    Ich ging zwischen Fock-und Großmast auf und ab und beobachtete die Vogelschaaren, die uns mit betäubendem Geschrei umschwärmten und aus denen sich einzelne Sturmvögel dann und wann auf dem Ende der Raaen niederließen. Niemand versuchte es, sie einzufangen; denn sie zu schießen wäre unnütze Grausamkeit gewesen, da ihr zähes thraniges Fleisch ganz ungenießbar ist.
    Da trat Hurliguerly, der sich auch nach den Vögeln umgesehen hatte, auf mich zu und sagte:
    »Mir fällt hier etwas auf, Herr Jeorling.
    – Was denn, Hochbootsmann?
    – Diese Vögel ziehen nicht mehr wie früher so genau nach Süden. Einzelne scheinen sich sogar nach Norden hin wenden zu wollen.
    – Das hab’ ich auch bemerkt, Hurliguerly!
    – Ich möchte auch behaupten. Herr Jeorling, daß die, die noch da unten sind, bald genug umkehren werden.
    – Und was schließen Sie daraus?
    – Ich denke, sie fühlen schon das Herannahen des Winters….
    – Des Winters, Hochbootsmann?
    – Ja, gewiß!
    – Das ist ein Irrthum; die Temperatur ist ja noch so hoch, daß es den Vögeln kaum einfallen kann, so vorzeitig nach minder kalten Gegenden abzuziehen.
    – Oh… vorzeitig, sagen Sie, Herr Jeorling.
    – Ich bitte Sie, Hochbootsmann, wissen wir denn nicht, daß die Seefahrer hier im Antarktischen Meere immer bis zum Monat März umhersegeln konnten?
    – Nicht in dieser Breite, antwortete Hurliguerly, nicht so hoch hier oben! Uebrigens giebt es frühzeitige Winter ebensogut wie frühzeitige Sommer. Die schöne Jahreszeit ist heuer zwei volle Monate eher als gewöhnlich eingetreten, und das läßt befürchten, daß es sich mit der schlechten Jahreszeit ebenso verhalten wird.
    – Wohl möglich, erwiderte ich, es kann uns aber gleichgiltig sein, da unsere Fahrt höchstens noch drei Wochen andauern wird.
    – Wenn sich uns inzwischen kein Hinderniß in den Weg stellt, Herr Jeorling.
    – Ein Hinderniß… welcher Art?…
    – Nun, zum Beispiel ein nach Süden zu ausgedehntes Festland, das uns den Weg versperrt.
    – Ein Festland… Hurliguerly?…
    – Wissen Sie, daß ich darüber nicht besonders erstaunen würde, Herr Jeorling?
    – Da ist auch nichts zum Erstaunen, Hochbootsmann.
    – An die Länder freilich, die Dirk Peters gesehen haben will, fuhr Hurliguerly fort, und wohin sich die Leute von der »Jane« hätten flüchten können, kann ich nicht recht glauben.
    – Warum denn nicht?
    – Weil William Guy, dem doch nur ein gebrechliches Fahrzeug zur Verfügung stand, auf diesen Meeren kaum hätte

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