Die Eissphinx
ihn, die freilich meist ohne Antwort blieb.
Uebrigens muß ich sagen, daß sich Dirk Peters über diesen Zustand der Dinge gar nicht beunruhigte. Immer seinen Gedanken nachhängend, bemerkte er ihn vielleicht gar nicht. Ich glaube, hätte er Jem West rufen hören: »Wenden nach Norden!« er hätte sich zu sonst welcher Unüberlegtheit hinreißen lassen.
Da er mich offenbar zu meiden schien, fragte ich mich, ob darin nicht blos eine gewisse Zurückhaltung und die löbliche Absicht, »mich nicht weiter zu compromittieren«, zu erblicken sei.
Am Nachmittag des 17. verrieth der Mestize jedoch deutlich den Wunsch, mit mir zu sprechen, und niemals – wahrlich niemals! – hätte ich mir träumen lassen, was ich bei dieser Gelegenheit hören sollte.
Es war gegen halb drei Uhr.
Etwas ermüdet und mißlaunig hatte ich mich in meine Cabine zurückgezogen, deren seitlicher Schiebladen offen stand, während der nach dem Hinterdeck zu geschlossen war.
Da klopfte es leicht an meine Thür, die nach dem Volkslogis zu lag.
»Wer da? fragte ich.
– Dirk Peters.
– Wollen Sie mit mir sprechen?
– Ja.
– Ich komme sofort heraus.
– Nein… bitte… es wäre mir lieber… darf ich in Ihre Cabine eintreten?
– Nun denn herein!«
Der Mestize öffnete die Thür und machte sie sorgsam wieder zu.
»Wenn Martin Holt wüßte, daß ich…« (S. 294).
Ohne mich von dem Lager, worauf ich mich ausgestreckt hatte, zu erheben, bedeutete ich ihm durch ein Zeichen, Platz zu nehmen.
Dirk Peters blieb stehen.
Da er, verlegen wie gewöhnlich, den Mund nicht aufthat, fragte ich ihn:
»Nun, was wünschen Sie, Dirk Peters?
– Ich möchte Ihnen etwas mittheilen… Verstehen Sie mich recht, Herr Jeorling, mir erscheint es besser, daß Sie es wissen… Sie sollen aber auch der einzige sein, der es erfährt. Die Mannschaft darf keine Ahnung davon bekommen…
– Wenn es so ernster Natur ist und Sie eine Indiscretion fürchten, warum wollen Sie es mir anvertrauen?
Ja… es muß sein… es muß! Ich kann es nicht für mich behalten. Es drückt mich… hier… hier… drückt mich wie ein Felsblock!«
Dirk Peters schlug sich bei diesen Worten an die Brust.
Dann fuhr er fort:
»O, ich habe immer Angst gehabt, daß mir das Geheimniß einmal im Schlafe entführe… daß Andere es hörten… denn ich träume oft davon… und im Traume..
– Sie träumen, fiel ich ein, und von wem?
– Von ihm… von ihm…. Deshalb schlaf ich auch immer in einsamen Winkeln… ganz allein… aus Furcht, daß man seinen wahren Namen erführe.«
Mir schien es jetzt, als werde der Mestize bereit sein, eine Frage zu beantworten, die ich noch nicht an ihn gerichtet hatte… eine Frage bezüglich des einen, mir noch dunkel gebliebenen Punktes, warum er nämlich nach dem Weggange von Illinois auf den Falklands unter dem Namen Hunt gelebt habe.
Als ich nun diese Frage stellte, antwortete er:
»O nein, davon war es nicht… davon wollt’ ich Ihnen nicht sprechen…
– Ich bleibe aber dabei, Dirk Peters, und wünsche zunächst zu wissen, warum Sie nicht in Amerika geblieben sind und sich nach den Falklands gewendet haben.
– Warum, Herr Jeorling?… Weil ich näher bei Pym sein wollte, weil ich auf den Falklands Gelegenheit zu finden hoffte, mich auf ein Schiff zu verheuern, das nach den südlichen Meeren segelte…
– Schön, doch der Name Hunt?…
– Ich konnte den meinigen nicht mehr leiden… ich hatte ihn hassen gelernt, wegen des Vorfalls mit dem »Grampus«! –
Der Mestize spielte hier offenbar auf das Strohhalmziehen an Bord der amerikanischen Brigg an, als zwischen August Barnard, Arthur Pym, Dirk Peters und dem Matrosen Parker ausgemacht worden war, daß einer von den Vieren geopfert werden und den andern als Nahrung dienen sollte. Ich erinnerte mich des Widerspruchs Arthur Pym’s und wie er sich doch schließlich fügen mußte, fügen zu jenem Loosen um Leben und Tod, zu der entsetzlichen That, deren grausame Erinnerung das Leben derjenigen vergiften mußte, die hinterher noch das Licht sahen….
Ja… jenes Strohhalmziehen… hier die Wahl unter vier ungleich langen Hölzchen, die Arthur Pym in der Hand hielt. Wer das kürzeste zog, sollte erschlagen werden. Pym spricht dabei von der unwillkürlichen Wildheit, die ihn überkam, wie er seine Gefährten hatte betrügen – »ihnen einen »Tric« spielen wollen«, so lauten seine Worte. Er that es aber nicht, und bittet um Verzeihung, einen solchen Gedanken gehabt zu haben. Wer
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