Die Eissphinx
zurückwich, hatten sich die beiden Kapitäne verständigt, ihr in der Entfernung von wenigen Kabellängen zu folgen. Sie bot uns ja eine Zufluchtsstätte, wenn unser Fahrzeug etwa durch irgend welchen Unfall unbrauchbar wurde. Und doch, was wäre jetzt, fast zu Winters Anfang, auf dem trostlos öden Lande wohl aus uns geworden?… Ich glaube, es war besser, daran gar nicht zu denken.
Während der ersten acht Tage hatte die »Paracuta«, da die Pagaien nachhalfen, wenn der Wind einmal zu sehr abflaute, nichts von der mittleren Geschwindigkeit verloren, die sie einhalten mußte, um in so kurzer Zeit den Großen Ocean zu erreichen.
Das Aussehen des Landes änderte sich nicht – immer derselbe unfruchtbare Erdboden, schwärzliche Felsblöcke, sandige Strandflächen, nur da und dort mit etwas Feigenmoos darauf, und steile, kahle Höhen, das war Alles, was wir erblickten. Die Meerenge selbst führte schon etwas Eis, schwimmende Triften und hundertfünfzig bis zweihundert Fuß lange »Packs«, die einen länglich und eckig, die andern ziemlich rund, und daneben einzelne Eisberge, die unser Boot leicht überholte.
Beunruhigend erschien es nur, daß alle diese Massen nach dem Packeis zu trieben, dessen Durchgänge – die zur jetzigen Jahreszeit noch offen sein mußten – sie zu versperren drohten.
Natürlich herrschte unter den dreizehn Passagieren der »Paracuta« das beste Einvernehmen. Wir hatten ja keine Meuterei eines Hearne zu fürchten, und dabei fragten wir uns, ob das Schicksal die vom Segelmeister verführten Unglücklichen wohl begünstigt haben möge. Bei ihrem überladenen Boot, das jeder stärkere Wellenschlag umzuwerfen drohte, mußte ihre Fahrt ja mit größter Gefahr verknüpft sein. Und doch, wer weiß, ob Hearne nicht Glück hatte, während wir, die zehn Tage später abgefahren waren, vielleicht dem Verderben entgegengingen?
Das war die Folge eines elektrischen Schneetreibens… (S. 420.)
Ich möchte hier beiläufig erwähnen, daß Dirk Peters, je mehr er sich aus den Gegenden entfernte, wo er keine Spuren von seinem armen Pym entdeckt hatte, noch schweigsamer wurde als vorher – was ich kaum für möglich gehalten hätte – ja er antwortete mir nicht einmal, wenn ich das Wort an ihn richtete.
Da das Jahr 1840 ein Schaltjahr war, mußte ich in meine Aufzeichnungen den 29. Februar mit aufnehmen Das war aber gerade der Geburtstag Hurliguerly’s, und der Hochbootsmann erwartete, diesen Jahrestag an Bord unseres Fahrzeugs mit einigem Glanze gefeiert zu sehen.
»Das ist doch das Wenigste, rief er lachend, da ich ihn in vier Jahren ja nur einmal erleben und feiern kann!«
Wir tranken auf die Gesundheit des wackern Mannes, der zwar etwas schwatzhaft, dafür aber der verläßlichste und ausdauerndste von Allen war und der uns durch seinen unverwüstlichen Humor oft genug erheiterte. An diesem Tage ergab die Beobachtung 79°17’ der Breite und 118°37’ der Länge.
Man sieht hieraus, daß die beiden Ufer des Jane-Sundes zwischen dem hundertachtzehnten und dem hundertneunzehnten Meridiane verliefen, und daß die »Paracuta« nur ein Dutzend Breitengrade zu durchsegeln hatte, um den Polarkreis zu erreichen.
Nach dieser Aufnahme der augenblicklichen Ortslage, die wegen der geringen Höhe der Sonne über dem Horizonte erhebliche Schwierigkeiten bot, hatten die beiden Brüder auf einer Bank die noch sehr unvollständige Karte des Antarktischen Polargebiets aufgeschlagen. Ich musterte sie zugleich mit ihnen, und wir suchten annähernd zu bestimmten, welche schon entdeckten Landsirecken in dieser Richtung lagen.
Man muß im Gedächtniß behalten, daß wir, nachdem unser Eisberg den Südpol passiert hatte, in die Zone der östlichen Länge übergetreten waren, die von Null Grad (in Greenwich) bis zu hundertachtzig Grad gezählt wird. Wir mußten also gänzlich darauf verzichten, nach den Falklandinseln zurückzukommen und in den Gewässern der Sandwichs, Südorkneys und Südgeorgiens auf Walfänger zu treffen.
Aus unserer dermaligen Lage ließ sich etwa Folgendes schließen:
Der Kapitän William Guy konnte selbstverständlich von den nach der Abfahrt der »Jane« ausgeführten antarktischen Reisen nichts wissen. Er kannte nur die Cook’s, Krusenstern’s, Weddell’s, Bellinghausen’s und Morrell’s, war aber in Unkenntniß über die weiteren Fahrten, wie über die zweite Morrell’s und über die Kemp’s, die die geographische Anordnung der Landmassen in diesen entlegenen Gegenden etwas
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