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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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es ja möglich, daß unsere Goëlette schon in den ersten Decemberwochen das Packeis passieren könnte, was den Schiffen doch sonst erst gegen Ende Januar gelingt.
    – In der That, wir wurden bisher von der Milde der Witterung außerordentlich begünstigt, antwortete der Kapitän Len Guy.
    – Ich erwähne noch, fuhr ich fort, daß Biscoë bei seiner zweiten Forschungsreise erst gegen Mitte Februar das Land in Sicht bekam, das unter dem vierundsechzigsten Längengrade vom Mont William und Mont Stowerby überragt wird. Die Reisewerke, die Sie mir zur Verfügung stellten, berichten das…
    – In unzweideutigster Weise, Herr Jeorling.
    – Also noch vor Ablauf eines Monats, Herr Kapitän…
    – Vor Ablauf eines Monats denke ich jenseits der Polargrenze das offene Meer wiedergefunden zu haben, von dem Weddell und Arthur Pym mit so großer Zuverlässigkeit sprechen, und dann haben wir nur unter gewohnten Verhältnissen weiter zu segeln, erst nach der Insel Bennet und dann nach der Insel Tsalal. Welches Hinderniß könnte uns auf jenem weit offenen Meere aufhalten oder nur zu Verspätungen Anlaß geben?…
    – Ich sehe keines, Herr Kapitän, wenn wir nur erst die Eisgrenze hinter uns haben. Diese zu durchbrechen, darin liegt die Schwierigkeit, darauf haben wir unser Augenmerk in erster Linie zu richten, und wenn der Ostwind aushält…
    – Der hält hier aus, Herr Jeorling; alle Seeleute, die die südlichen Meere befahren haben, bestätigen die auch von mir gemachte Beobachtung, daß der Ostwind hier beständig weht. Ich weiß wohl, daß zwischen dem dreißigsten und dem sechzigsten Breitengrade zuweilen Stürme aus Westen losbrechen. Tiefer unten aber kehrt sich die Sache um, die entgegengesetzten Winde behalten die Oberhand, und wenn Sie jene Grenze mit uns überschritten haben, werden Sie sich von dieser Thatsache selbst überzeugen können.
    – Das freut mich wirklich, Herr Kapitän. Ich gestehe übrigens, ohne deshalb zu erröthen, daß ich anfange, etwas abergläubisch zu werden….
    – Warum soll das einer nicht, Herr Jeorling?… Welche Unvernunft läge denn in der Annahme des Eingreifens einer übernatürlichen Macht auch in die gewöhnlichsten Ereignisse des Lebens?… Und wir Seeleute von der »Halbrane«, sollten wir gar daran zweifeln? Erinnern Sie sich nur der Auffindung des unglücklichen Patterson auf dem Wege unserer Goëlette… an die Eisscholle, die bis in jene von uns durchfahrenen Gewässer getrieben worden war und die fast sofort darauf zerfloß. Ueberlegen Sie sich, Herr Jeorling, erkennen Sie daran nicht etwas, wie den Finger der Vorsehung? Ich gehe noch weiter, ich behaupte, daß Gott, nachdem er soviel gethan hat, um uns unseren Landsleuten von der »Jane« zuzuführen, seinen ferneren Beistand uns auch nicht versagen wird.
    – Ganz meine Ansicht, Herr Kapitän. Nein, seine thätige Mitwirkung ist gar nicht wegzuleugnen, und ich meine, der Zufall spielt auf der Bühne des Menschenlebens nur die Rolle, die eine höhere Macht ihm zutheilte. Alle Thatsachen sind durch ein geheimnisvolles Band verknüpft… durch eine Kette…
    – Eine Kette, Herr Jeorling, deren erstes Glied, was uns angeht, die Eisscholle Patterson’s war und deren letztes die Insel Tsalal sein wird!… Ach, mein Bruder, mein armer Bruder!… Dort seit elf Jahren verlassen… mit den Genossen seines Unglücks… und ohne jede Hoffnung auf Hilfe!… Und Patterson, weit von ihnen weg verschlagen – unter welchen Umständen wissen wir nicht, so wenig, wie jene wissen, was aus ihm geworden ist. Wenn mein Herz zerspringen will, wenn ich an jene Unglücksfälle denke… jedenfalls wird es nicht eher brechen, Herr Jeorling, als in dem Augenblicke, wo mein Bruder sich mir in die Arme wirst!«
    Der Kapitän Len Guy war so tief erregt worden, daß sich auch aus meinen Augen eine Thräne stahl. Jetzt fehlte mir der Muth, ihm zu sagen, daß das Rettungswerk doch recht wenig günstige Aussichten habe. Wohl war nicht daran zu deuteln, daß sich William Guy mit den fünf Matrosen von der »Jane« vor sechs Monaten noch auf der Insel Tsalal befand, denn das bestätigten die Aufzeichnungen in Patterson’s Notizbuche… doch welcher Art war dort ihre Lage?… Befanden sie sich in der Gewalt der Eingebornen, deren Kopfzahl Arthur Pym, auch ohne die Bewohner der Nachbarinseln, auf mehrere Tausende schätzte?… Hatten wir uns dann nicht vom Häuptlinge der Insel Tsalal, jenem wilden Too-Wit, eines Angriffs zu versehen, dem die »Halbrane«

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