Die Eissphinx
Kabellängen von der Goëlette ein solcher Right-wale hin, der gut sechzig Fuß Länge hatte, d. h. genug, um hundert Faß Thran zu liefern. Die Ausbeute von diesen riesigen Thieren ist so groß, daß drei davon hinreichen, einem mittelgroßen Schiffe die vollständige Fracht zu bieten.
»Ja… das ist ein Right-wale! rief Hearne. Schon an seinem dicken und niedrigen Wasserstrahl würde man ihn erkennen… der, den Ihr da drüben über Backbord seht… wie eine niedrige Rauchsäule sieht es aus… der kommt von einem Right-wale. Und das alles geht uns an der Nase vorbei… geht unwiderbringlich verloren!… Sapperment, seine alten Tonnen nicht zu füllen, wenn man es kann, ist dasselbe, wie Piaster ins Meer zu werfen!… So ein Unglücks-Kapitän, der sich all diese werthvolle Waare aus der Hand gehen läßt und seine Mannschaft obendrein schädigt…
– Hearne, ertönte da eine befehlerische Stimme, steig’ auf die Marsen! Da wirst Du’s bequemer haben, die Walfische zu zählen!«
Es war die Stimme Jem West’s.
»Lieutenant…
– Keine Widerrede, oder Du bleibst bis morgen früh da oben! Nun schnell die Wanten hinan!«
Da es ihm schlecht bekommen wäre, sich zu widersetzen, gehorchte der Segelwerksmaat, ohne ein Wort zu sagen. Die »Halbrane« – ich wiederhole es – hatte sich nach diesen hohen Breiten nicht begeben, um Seesäugethiere zu erbeuten, und die neuen Leute waren auf den Falklands-Inseln nicht als Fischer angeworben worden. Das einzige Ziel unserer Fahrt kennt ja der Leser und nichts sollte uns diesem abwendig machen.
Die Goëlette fuhr jetzt mit vollen Segeln über ein röthlichbraunes Wasser hin, dem große Züge von Crustaceen, einer Art zur Familie der Thysanopoden gehörigen Krabben, die Farbe verlieh.
Da lagen Walfische sorglos auf der Seite und sammelten das kleine Gethier an den Fäden ihrer Barten, die einem Netze ähnlich zwischen den beiden Kinnladen hingen. Dann verschluckten die Riesen jene Zwerge gleich zu Myriaden.
Daß sich jetzt im November und in diesem Theile des südatlantischen Oceans eine solche Menge Cetaceen verschiedener Art vorfanden, kam, wie schon erwähnt, von der vorzeitig milden Witterung her. Ein Walfänger zeigte sich in dieser Gegend aber nirgends.
Hier sei beiläufig bemerkt, daß die Walfänger schon jener Zeit angefangen hatten, sich aus dem nördlichen Polarmeere zurückzuziehen, wo infolge unausgesetzter Vernichtung die Walfische recht selten geworden waren. Jetzt suchen Franzosen, Amerikaner und Engländer vorzugsweise die Gewässer der südlichen Polarzone zu diesem Zwecke auf, obgleich die Jagd hier mit noch größeren Schwierigkeiten verknüpft ist. Diese früher so ertragreiche Industrie droht übrigens über kurz oder lang ein Ende zu nehmen.
Aus der augenblicklich so großen Ansammlung von Cetaceen ließen sich gewisse weitere Schlüsse ziehen.
Seit der Kapitän Len Guy mit mir jenes Gespräch über den Roman Edgar Poë’s gehabt hatte, war er entschieden weniger zurückhaltend geworden. Wir plauderten öfters von dem oder jenem, und heute sagte er zu mir:
»Die Anwesenheit dieser Cetaceen weist im allgemeinen darauf hin, daß eine Küste nicht mehr fern sein kann, und zwar aus zweierlei Gründen. Der erste ist der, daß sich die Crustaceen, die ihnen als Nahrung dienen, niemals weit vom Lande entfernen; der zweite der, daß die weiblichen Wale seichteres Wasser brauchen, um ihre Jungen abzusetzen.
– Wenn das der Fall ist, Herr Kapitän, bemerkte ich, warum haben wir dann zwischen den New-South-Orkneys und dem Polarkreise keine einzige Insel zu Gesicht bekommen?…
– Ihr Einwand ist ganz richtig, antwortete der Kapitän Len Guy, doch um auf eine Küste zu treffen, hätten wir um eine Mandel Grade nach Westen hin abweichen müssen, wo die New-South-Shetlands Bellingshausen’s, die Inseln Peter und Alexander und endlich das von Biscoë entdeckte Grahamland liegen.
– Das Vorkommen von Walfischen, fuhr ich darauf fort, deutet also nicht nothwendig auf die Nachbarschaft eines Landes hin?
– Ich bin in Verlegenheit, darauf zu antworten, Herr Jeorling, und es ist ja möglich, daß die Beobachtung, von der ich Ihnen sprach, unbegründet wäre. Vielleicht ist es richtiger, die Ansammlung jener Thiere aus den klimatischen Verhältnissen dieses Jahres abzuleiten…
– Ich sehe keine andere Erklärung, sagte ich, sie deckt sich auch mit unseren eigenen Beobachtungen.
– Nun, wir werden nicht unterlassen, aus diesen uns so günstigen
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