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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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Frau. Deren Augenbrauen waren vereist und glichen weißen Büschen. Der Atem stieg nach oben. Die Feuchtigkeit gefror auf ihren Augenbrauen. Sie war nicht tot. Aber sie würde es bald sein, wenn sie noch länger hier in der Eiseskälte hockte. In einer halben Stunde war es dunkel. In der Nacht fielen die Temperaturen unter minus 25 Grad.
    »Frau Grundinger«, sagte Alice und nahm die Hände der Frau, »Sie holen sich hier den Tod.«
    Adelheid Grundinger registrierte Alice nicht. Sie starrte in die Richtung, aus der Alice gekommen war.
    Alice rieb die Hände der Frau. Sie waren kalt wie die einer Leiche.
    »Mein Alois ist heimgekommen.«
    »Alois? Ihr Mann, der aus dem Krieg nicht mehr heimgekehrt ist?«
    »Ich hab ihn g’sehn.«
    »Der ist schon über 100 Jahre alt.«
    »104 Jahre wäre er dieses Jahr g’worden. Ich hab jedes Jahr mit ihm g’feiert. So als wäre er daheim gewesen. Ich hab gewusst, dass er nach Hause kommt. Ich hab’s gewusst.«
    Sie hat den Verstand verloren, war Alices erster Gedanke. Dann fiel ihr aber Wittgenstein ein und dass sie selbst Menschen sah, die schon seit einem halben Jahrhundert tot waren, ja selbst Philosophen, die schon vor über zweitausend Jahren das Zeitliche gesegnet hatten. Im Alter war der Kopf voll vonErinnerungen, die Vergangenheit war riesig geworden und die Zukunft immer kleiner. Adelheid Grundinger hatte ein Leben lang auf ihren Alois gewartet, jetzt hatte sie ihn gesehen. Das war der ganz normale Wahnsinn des Altwerdens.
    »Wo haben Sie ihn gesehen?«
    »Da über die Berge ist er gekommen. Er ging an meinem Haus vorbei. Jeden Abend, sobald es dunkel wird, stelle ich eine Lampe ins Fenster. Das hab ich ihm gesagt, als er wegging. Damit er wieder zurückfindet.«
    »Mit 104 Jahren über die Berge gelaufen. Das muss anstrengend gewesen sein.«
    Alice betonte absichtlich die 104 Jahre, was die alte Frau jedoch in keiner Weise beunruhigte.
    »Mein Alois war immer gut zu Fuß. Als wir vor dem Krieg in Berlin waren, da sind wir nie mit der Tram gefahren, immer zu Fuß. Der konnte laufen, mein Alois. Der ganze weite Weg aus Russland …«
    »Und warum warten Sie jetzt auf ihn, hier auf der Bank, in dieser Hundekälte?«
    »Das verstehe ich ja nicht … Der Alois ist kurz vor meinem Haus stehen geblieben. Er hat zu mir hochgeschaut. Er hat sich überhaupt nicht verändert … Er schaut immer noch so aus wie damals, als er über die Felder wegging, in diesen Krieg.«
    »Sie meinen, er war jung?«
    »Jung, schön und stark. So habe ich ihn gesehen. Vor zwei Tagen, gestern, heute … Er kommt an meinem Haus vorbei, bleibt kurz stehen, geht dann weiter, so als würde er sein Haus nicht mehr kennen.«
    »Er geht vorbei?«
    »Das verstehe ich ja nicht. Er war so lange weg, vielleicht kann er sich nicht mehr an sein Haus erinnern, und ich bin eine alte Frau. Er hat mir ins Gesicht gesehen, als ich am Fensterstand. Dann ging er einfach weiter, so als hätte er ein anderes Ziel.«
    »Er war jung …wie damals, als er in den Krieg zog«, wiederholte Alice. Adelheid Grundinger hatte nicht den Verstand verloren. Sie hatte jemanden gesehen, nur nicht denjenigen, auf den sie wartete. Man konnte es auch so betrachten: Die alte Frau hatte den Mann gesehen, auf den sie seit Jahren wartete, doch wer auch immer da unter ihrem Fenster gestanden hatte, war nicht ihr Mann Alois gewesen. Alois Grundingers Knochen waren wahrscheinlich irgendwo auf einem russischen Acker vergraben, in einem anonymen Grab, verscharrt vor siebzig Jahren. Der einzige Ort, an dem Alois noch existierte, war Adelheid Grundingers Erinnerung. Dennoch hatte Alice das Gefühl, dass die alte Frau keine Gespenster gesehen hatte. Sie hatte etwas gesehen, eine Gestalt, bei Dunkelheit, die zu ihrem Fenster hochgesehen hatte. Nur war es nicht ihr Mann …
    »Und wohin ist Alois gegangen?«
    »Dort hinauf!« Sie zeigte den Weg entlang, den Alice gerade gekommen war.
    »Aber dort wohne ich. Und das Haus weiter unten am Weg, das ist das Haus von meinem Großvater.«
    »Dorthin ist er gegangen. Seit zwei Tagen sehe ich ihn.«
    »Nachts ist Alois zu uns gekommen?«
    »Ich bin ihm nachgegangen, gestern Nacht.«
    »Bei uns war niemand zu Besuch.«
    Du hast niemanden gesehen.
    »Er ist um euer Haus gegangen, zweimal. Er hat sogar eine Leiter geholt. Ich dachte, er will irgendetwas reparieren, weil er in einer Hand etwas hielt, was schwer aussah, wie ein Werkzeug.«
    Alices Magen zog sich zusammen. Sie sah sich nach allen Seiten um.
    »Frau

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