Die Eistoten: Thriller (German Edition)
war. Er hatte auch schon vorher Kontakt mit ihm. Georg Zugl hatte Mulder einiges Geld bezahlt, damit er den Fall seiner Tochter weiter untersuchte. Mulder gab sich als Privatdetektiv aus. So viel konnte ich feststellen. Er hat sich sogar Visitenkarten drucken lassen. Privatdetektiv Jakob Mulder. Investigation und Überwachung. Mulder hatte sich also nicht mit Zugl auf der Gipfelstation treffen wollen, sondern mit jemand anders. Und der hat ihn unterhalb des Gipfels erwischt, an einer ungefährlichen Stelle.«
»Mulder wollte jemanden treffen, der ihm etwas über Georg Zugl erzählen wollte.«
»Das denke ich. Mulder wollte die Geschichte mit den Toten vom 23. Dezember ganz groß rausbringen. Er hatte nicht nurden SPIEGEL kontaktiert, sondern auch zwei Buchverlage auf das Thema aufmerksam gemacht. Mulders Recherchen interessierten auf jeden Fall die Presse. Nur die Polizei wollte davon nichts wissen. Für sie handelte es sich um einzelne Fälle, die miteinander nichts zu tun hatten. Die Tatsache, dass die Morde am 23. Dezember geschahen und alle Opfer den Tod durch Erfrieren fanden, reichte der Polizei nicht, um daraus den Schluss zu ziehen, dass es sich um einen Serientäter handelte. Insgesamt hat Mulder zehn Fälle mit gleichen Charakteristika gefunden. Der erste Fall war Julia Zentner. Ein junges Mädchen im Alter von zwölf Jahren. Spaziergänger fanden ihre Leiche in der Nähe einer Kapelle bei Reckenberg. Tod durch Erfrieren.«
»Hat er was über die besondere Stellung der Opfer geschrieben?«
»Mulder hatte Fotos aus den Polizeiakten. Und das ist das Verrückteste, was ich jemals gesehen habe. Ganz zu schweigen davon, dass die Polizei nicht zu diesem Schluss kam. Jedes der Opfer hockte oder lehnte an einer Mauer, mit verschränkten Armen, die Augen offen. Julia Zentner war die erste Tote. Sie starb am 23. Dezember vor zehn Jahren. Nach Mulders Chronologie starb jedes Jahr ein junges Mädchen. In zehn Jahren zehn tote Mädchen.«
»Aber nur zwei davon in Hintereck.«
»Hintereck, Reckenberg, Bad Oberdorf, eine Leiche wurde am Kraftwerk Bruck gefunden. Mulder hatte eine Linie der Fundorte eingezeichnet. Dabei ergab sich, dass die Fundorte entlang der Ostrach lagen. Jeder Fundort befand sich in der Nähe einer Kapelle oder Heiligenstatue. Mulder glaubte, dass der Täter einen Wanderweg entlang der Ostrach benutzte. In seinen Notizen war jedoch ein großer weißer Fleck. Es fehlte das Motiv. Die Opfer waren weder verstümmelt worden, noch hatte man sie sexuell missbraucht. Es gab keine Spuren äußerlicherGewalteinwirkung. Die Opfer starben laut Polizeibericht durch Erfrieren. Dies widerspricht aber der These eines Serientäters.«
»Er muss sie irgendwie betäubt haben.«
»Davon steht aber nichts im Polizeibericht.«
»Sie haben wahrscheinlich gar nicht danach gesucht, weil sie von einem tragischen Unfall ausgingen.«
»Aber wie nähert er sich den Opfern, um sie zu betäuben? So einfach geht das nicht. Selbst ein Kind wehrt sich, und das Risiko, dass Spuren auf dem Körper des Kindes zu sehen sind, wäre viel zu hoch.«
»Außer er kann sich den Kindern nähern, weil er sie kennt oder jemand ist, der mit Kindern umgehen kann.«
»Jemand, dem sie vertrauen.«
»Über die Schmierereien hat Mulder nichts geschrieben?«
»Was für Schmierereien?«
»In dem Jahr, als Ina Zugl erfroren gefunden wurde, malte jemand am Tag zuvor eine rote 11 auf die Friedhofsmauer, und dieses Jahr, vier Jahre nach Inas Tod, hat jemand die Pforte der Kirche wieder mit einer roten 11 beschmiert.«
»Das kann ein Zufall sein. Mulder hat jedenfalls nichts davon erwähnt.«
»Er wusste es nicht, oder es hatte für ihn nichts mit dem Fall zu tun.«
»Ich schätze, es hat nichts mit den Fällen zu tun. Wenn wir tatsächlich einen Serientäter finden wollen, dann müssen wir herausfinden, wen die Mädchen getroffen haben. Jemanden, dem sie vertraute, oder jemanden, der zumindest vertrauenerweckend aussah.«
Jedes Jahr ein Fall, und das seit zehn Jahren. Die Toten summierten sich in Alices Kopf zu einer Gleichung. Auf der einen Seite die Toten mit ihren eisigen Gesichtern und aufgerissenenAugen und auf der anderen Seite das X, eine große Unbekannte.
»Es hat vor zehn Jahren begonnen, an einem 23. Dezember. Der Grund für diese Morde muss etwas mit diesem Datum zu tun haben, etwas, was den Mordwahn ausgelöst hat.«
»Ich weiß, dass es schlimm für dich sein muss, aber ist es möglich, dass dein Großvater so eine Tat
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