Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Büttel des Axtkriegers hatte kämpfen müssen.
Erstaunlich, wenn man bedachte, dass diese Darstellung höchstwahrscheinlich reiner Fantasie entsprang, dachte Magolas. Jedenfalls konnte er sich nicht vorstellen, dass Brass Elimbor eigens zum Zweck einer wirkungsvolleren Verewigung dem Künstler erschienen war. Der uralte Schamane hatte, so erzählte man sich, eine Reihe merkwürdiger Eigenheiten gehabt, die einem unkomplizierten Umgang mit ihm nicht immer förderlich gewesen waren, doch niemand, der ihn zu Lebzeiten kennengelernt hatte, wäre auf die Idee verfallen, ihn als eitel zu bezeichnen.
Magolas machte ein paar Schritte in die Halle. Ganz gleich, wo im Raum man sich befand, die Augen Brass Elimbors schienen dem Betrachter stets zu folgen und ihn prüfend anzuschauen.
Auf welchem Weg bist du?
Diese Frage stand plötzlich in Magolas’ Gedanken, und er schrak zusammen, denn er wusste nicht sicher, ob sie aus seinem tiefsten Innern gekommen war oder ob da eine andere Macht seinen Geist berührt hatte.
Welcher Weg? Darum ging es, erkannte Magolas, und das nicht zum ersten Mal. Aber nach Elbenart hatte er sich lange Zeit um eine Entscheidung herumgedrückt.
Brass Shelian kam auf ihn zu. Er trug eine weiße Kutte aus edlem Elbenzwirn. Das durch die hohen bemalten Fenster gebrochene Licht leuchtete in vielen Farben, und man hatte im ersten Augenblick den Eindruck, dass der ehrenwerte Brass innerhalb eines Regenbogens stand, der mitten in der Halle der Schamanen begann und durch das Hauptfenster an der Altarseite hinaus ins Freie führte. Dieses Phänomen war alles andere als ein Zufall. Es war noch nicht einmal Magie im Spiel, denn es galt unter Schamanen durchaus als Tugend, Magie nur so sparsam wie nötig einzusetzen, es sei denn, man wollte Verbindung zu den Sphären der Jenseitigen aufnehmen.
Die Lichterscheinung, die den weißgekleideten Brass Shelian in allen Farben des Regenbogens umwaberte, war vielmehr das Ergebnis höchster elbischer Baumeisterkunst, die den Einfall und die Brechung des Lichts höchst kunstvoll zu nutzen wusste und daraus je nach Lichteinfall ständig wechselnde Erscheinungen zu schaffen vermochte, so wie es auch in der
»Halle der vier Sphären« der Fall war. Die Baumeister der kleineren Halle auf Burg Elbenhaven hatten sich diesen baumeisterlichen Trick von der Schamanenhalle abgeschaut und ihn mit großem Können kopiert.
Das war einer der Unterschiede zwischen den Rhagar und den Elben, ging es Magolas durch den Kopf. Für die Menschen war die Sonne ein Gott – für die Elben war ihr Licht nichts weiter als ein besonders edler Baustoff.
»Was begehrt Ihr, werter Prinz Magolas?«, sprach ihn Brass Shelian an, der dem legendären Brass Elimbor direkt auf dem Posten des Obersten Schamanen gefolgt war; so mancher hatte sich seinerzeit gefragt, ob diese Fußstapfen sich nicht als zu groß erweisen würden. Seit Tausenden von Jahren hatte Brass Elimbor die Führung des Ordens innegehabt und dem Volk der Elben schon in der Alten Zeit von Athranor spirituelles Geleit gegeben. Brass Shelians Haare waren in den Jahrhunderten, die er dieses Amt nun schon bekleidete, vollkommen weiß geworden, sodass sie sich farblich nicht von dem Elbenzwirn unterschieden, aus dem das bis zum Boden reichende Gewand gewebt war. Manche sahen darin ein Zeichen seiner zunehmenden Verklärung. Doch hinter vorgehaltener Hand war auch davon die Rede, dass die Sorgen um die fortschreitende spirituelle Schwäche des Schamanenordens dafür gesorgt hatte, dass sein Haar die Farbe verloren hatte.
»Ich habe eine Frage an Euch, Brass Shelian.«
»Nur zu. Ihr wisst, dass Ihr Euch mir anvertrauen könnt.«
»Ja, das weiß ich.« Magolas zögerte, ehe er schließlich sein Anliegen hervorbrachte: »Was ist der Grund dafür, dass die Lebensspanne der Rhagar von so grausamer Kürze ist?«
Brass Shelian hob die Augenbrauen und antwortete nach einer kurzen Pause: »Aus unserer Sicht mag es so erscheinen, als hätten sich die Namenlosen Götter mit den kurzlebigen Geschöpfen wie den Rhagar einen grausamen Scherz erlaubt.
Sie leben lange genug, um zu erkennen, was das Leben sein könnte, und vergehen, ohne auch nur im Entferntesten ihre Ziele oder wenigstens einen Zustand des Glücks erreicht zu haben.«
»Ein Scherz der Götter, über den man wohl nur lachen kann, solange man nicht in Liebe oder Freundschaft mit einem der kurzlebigen Geschöpfe verbunden ist.«
»So etwas ist in der Regel der Beginn einer
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