Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
schließlich. »Sicher lassen sich durch die Anwendung von Elbenmagie – und vor allem durch die Mittel der Elbenheilkunde – ein paar Jahre bei einem Rhagar gewinnen.
Aber an der Tatsache, dass ihre Lebensenergie unverhältnismäßig früh aufgebraucht ist, lässt sich nichts ändern. Zumindest nicht, dass ich wüsste. Bei den Pferden gab es schließlich ein über Generationen reichendes Zuchtprogramm.«
»Dann ist es also das unabänderliche Schicksal der Menschen, früh zu sterben.«
»Wie Ihr selbst sagtet, mein Prinz, nie hat sich ein Magier oder Schamane unseres Volkes mit dieser Thematik befasst, weil sie einfach nicht relevant war. Allerdings…« Auf Brass Shelians Gesicht erschien eine tiefe Furche zwischen den Augen. »Es hat da mal ein Problem gegeben, das eher in den Bereich der Heilkunst als in das Wirkungsfeld von Schamanen und Magiern fiel…«
»Erzählt mir davon, Brass Shelian!«
»Es ging um Eónatorn, heute Eónatorn der Kriegsheiler genannt, damals Novize des Schamanenordens, der fast am Ende seines Noviziats stand und meiner Ansicht nach eine der größten schamanischen Begabungen seit Langem hatte. Leider entschied er sich, die Prüfung zum Brass nicht abzulegen…«
»Was war mit Eónatorn?«
»Er hatte ein Leiden, das zunächst nicht erkannt werden konnte. Aber die Heilerin Nathranwen fand heraus, dass es eine spezifisch elbische und damit äußerst seltene Form der Altersschwäche war, die ihn befallen hatte.«
»Aber Nathranwen hat ihn heilen können?«
»Soweit ich weiß begleitet er Euren Vater gerade auf seinem Feldzug in die nördlichen Herzogtümer. Also kann er nicht unter irgendwelchen gravierenden Gebrechen leiden.«
»Dann wird es das Beste sein, wenn ich die Heilerin Nathranwen in dieser Angelegenheit befrage, ehrenwerter Brass.«
Brass Shelian nickte und deutete dabei gleichzeitig eine leichte Verbeugung an. »Gewiss.«
Magolas erwiderte die Verbeugung und wandte sich zum Gehen. Aber die Stimme des ehrenwerten Brass hielt ihn zurück.
»Mein Prinz!«
Magolas blieb stehen und drehte sich um. »Ehrenwerter Brass?«
»Wenn es sich tatsächlich so verhält, wie Ihr sagtet, wenn Ihr für eine Rhagar-Frau in einer Form von Liebe entbrannt seid, die mehr ist als nur ein momentanes Begehren des Körpers, dann schreitet Ihr auf einem Weg der Trauer und des Unglücks.«
»Ihr sagt dies mit einer Endgültigkeit, die mich erschüttert und zugleich erstaunt.«
»Ich sage dies, weil ich die Dinge klar und nüchtern betrachten kann, während Euer Geist, so scheint’s mir, von Gefühlen umnebelt ist.«
Magolas straffte sich. Einerseits ahnte er, dass in den Worten des ehrenwerten Brass viel Wahres war. Andererseits aber weigerte sich der Elbenprinz, sich einfach einem scheinbar vorherbestimmten Schicksal zu ergeben. Seine Linke umfasste den Griff seines noch namenlosen Schwertes. »Ich bin der Sohn Keandirs, der sein Schicksal mit dem Schwert schuf.
Warum soll mir etwas Ähnliches, wenn schon nicht für die gesamte Elbenheit, so doch zumindest für mein eigenes Leben gelingen, werter Brass Shelian?«
Magolas suchte die Heilerin Nathranwen auf, die ihm seit frühester Jugend sehr vertraut war. Schließlich hatte sie bereits geholfen, die Zwillinge Andir und Magolas auf die Welt zu holen. Ihre Gemächer befanden sich in einem der Nebengebäude der inneren Burg von Elbenhaven, sodass sie stets den Angehörigen des Königshauses mit ihrem Rat und ihrer Heilkunst zur Verfügung stehen konnte, denn sie genoss sowohl das Vertrauen von König Keandir als auch ganz besonders jenes seiner Frau Ruwen.
Mit einem wissenden Lächeln empfing die Elbin von altersloser Schönheit, die inzwischen den offiziellen Titel einer Hofheilerin genoss, den Königssohn auf einer Terrasse, die zu ihren Gemächern gehörte. Auf dieser Terrasse hatte sie einen kleinen Garten mit allerlei Pflanzen angelegt. Allerdings war es ihr bislang nicht gelungen, auch jene beliebte Heilpflanze zu ziehen, die man die »Sinnlose« nannte und die der wichtigste Exportartikel aus den Wäldern der Zentauren war. Immer wieder hatte sie es versucht, aber aus Gründen, die selbst dieser weisen Frau Rätsel aufgaben, hatten diese Versuche einfach keinen Erfolg gezeitigt.
Manche sahen darin bereits ein düsteres Zeichen. Ein Symbol dafür, dass sich die Elben zunehmend von ihrer eigenen Natur entfernten und damit auch von jener Flora, mit denen sie schon in der Epoche vor der Alten Zeit Athranors in spirituellem Kontakt
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