Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
dies nicht, ich wäre konservativ.«
»Die Menschen von Athranor waren schon nur noch eine Legende, als ich geboren wurde«, sagte Lirandil, »und viele glauben, es hätte sie nicht gegeben und die Erinnerungen der Alten würden sie trügen.«
Prinz Sandrilas wies auf die Augenklappe über seiner rechten Gesichtshälfte. »Ich erinnere mich noch gut an sie, denn einer von ihnen hinterließ mir dies Andenken. Doch mein Groll gegen dieses Volk verstummte im Lauf der Jahrhunderte. Es ist Dummheit, ein Volk für das zu hassen, was ein Einzelner tut.«
Lirandil nickte. »Es gibt ein Sprichwort der Rhagar, das lautet: Die Zeit heilt alle Wunden.«
»Wobei es mich immer gewundert hat, dass dieses Sprichwort ausgerechnet unter Menschen Verbreitung finden konnte, deren Selbstheilungsvermögen doch nun bekanntermaßen ausgesprochen schlecht ist«, warf Siranodir mit den zwei Schwertern ein.
»Und was die Zeit angeht, so steht den Menschen ja auch nicht sonderlich viel zur Verfügung«, ergänzte Thamandor.
»Wie auch immer«, grummelte Sandrilas. »Trotz allem darf man nicht vergessen, wie wankelmütig und sprunghaft die Menschen sind, gerade aufgrund ihrer Kurzlebigkeit. Man trifft mit einem ihrer Führer eine Vereinbarung, und hundert Jahre später sitzt sein Nachnachnachfolger auf dem Thron und kann sich an keine Abmachung mehr erinnern. Außerdem wird ihr Verhalten immer wieder von Gefühlen bestimmt, sodass es sich sehr schwer voraussagen lässt.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber das heißt nicht, dass sich ihre barbarischen Sprachbilder nicht bisweilen gut dazu eignen, um ebenso barbarische Sachverhalte eindrucksvoll darzustellen.« Und mit dem Anflug eines Lächelns fügte er hinzu: »Teufel auch!«
Dass ausgerechnet er es gewesen war, der seinerzeit das Bündnis zwischen dem Rhagar-Reich Aratan und den Elben gegen die übermächtig gewordenen Südwestlande geschmiedet hatte, erwähnte der Prinz nicht. Im Zweifel obsiegte bei ihm stets die praktische Notwendigkeit, und er ließ es nicht zu, dass Emotionen seinen Verstand trübten. Damals war er überzeugt davon gewesen, mit diesem Bündnis das Elbenreich zu schützen. Allerdings hatte sich diese Entscheidung im Nachhinein als das größte Fiasko der elbianitischen Außenpolitik erwiesen, denn nur so war es Magolas möglich gewesen, den aratanischen Thron zu gewinnen und die Macht über die Rhagar zu erringen. Dass er selbst in Abwesenheit des Königs die Bedingungen zur Gründung des Magolasischen Reichs geschaffen hatte, war für Prinz Sandrilas viel schwerer zu verwinden als der Verlust seines Auges vor vielen Zeitaltern in Athranor.
König Keandir hatte zuletzt dem Gespräch seiner Getreuen nicht mehr zugehört. Ihre Wortgefechte, mit denen sie sich bisweilen die Zeit zu vertreiben beliebten und die auch eher den Charakter eines sportlichen Wettkampfs hatten, interessierten den König in diesen Momenten nicht. Denn er spürte etwas – die Aura finsterer Magie, die wie eine Glocke über der Insel lag. Die Vermutung, dass sich Xaror – oder sein Geist – bereits auf Naranduin befand und die Ankömmlinge erwartete, wurde zur Gewissheit.
»Er überblickt die Schicksalslinien und ihre Verstrickung sehr viel weiter, als ich es für möglich hielt«, sagte Keandir auf einmal laut, und sogleich verstummte der Disput seiner Vertrauten.
»Von wem sprecht Ihr?«, fragte Prinz Sandrilas.
»Von Xaror. Er wird uns in eine Falle laufen lassen, denn er sieht die möglichen Wege der Zukunft besser als selbst unsere Schamanen oder die in dieser Hinsicht besonders sensibel gearteten Elben. Er bestimmt das Schicksal nicht, aber er sieht es.«
In diesem Moment näherten sich einige der Äfflinge der
»Tharnawn«, hielten dann aber einen Abstand von ungefähr drei Schiffslängen. Es waren etwa fünf Ouroungour, allesamt bewaffnet, aber Keandir zweifelte daran, dass sie tatsächlich vorhatten, das Schiff anzugreifen.
»Lasst uns gleich in aller Deutlichkeit zeigen, wer hier die überlegene Macht ist«, meinte Thamandor und zog eine seiner beiden Einhandarmbrüste.
Doch Keandir schüttelte den Kopf. »Steckt Eure Waffe wieder ein und spart den Bolzen, werter Waffenmeister. Sie wollen uns nur beobachten.«
»Hm… Wie Ihr meint, mein König«, grummelte Thamandor, deutlich unzufrieden darüber, seine Waffe nicht einsetzen zu können. Seinen Flammenspeer hatte er zu Hause in Elbenhaven zurückgelassen. Er war in einem der Verliese unter der Burg
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