Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
hatte.
Aber dafür hatte Larana im Augenblick kein Ohr. Sie starrte erst Magolas und dann ihren Sohn an. »Was redest du da?«, flüsterte sie stirnrunzelnd.
»Fragt doch Sarwen. Sie hat es auch bemerkt«, sagte Daron,
»aber sie denkt, dass es vielleicht der Sonnengott ist, weil er so leuchtend hell erscheint mit seinem strahlend weißen Gewand und den weißen Haaren.«
Vor einiger Zeit hatten Daron und Sarwen einen längeren Disput darüber gehabt, ob der Sonnengott der Rhagar tatsächlich existierte. Daron vertrat nämlich die Ansicht, dass die Sonne lediglich ein weit entfernter Feuerball am Himmel sei, aber kein Gott, während Sarwen meinte, dass sich all die Rhagar, die über Jahrtausende an den Sonnengott geglaubt und ihm viele Tempel errichtet hatten, doch nicht irren könnten.
Außerdem müsste sich dann auch ihr Vater irren, der Großkönig des größten Reichs auf dem zwischenländischen Kontinent, denn schließlich zeigte er sich ja regelmäßig mit seiner ganzen Familie bei den Tempelzeremonien. Der Streit war zwischen den beiden Zwillingen überwiegend stumm geführt worden, und Magolas und Larana hatten davon nur deshalb erfahren, weil die beiden ihre Eltern mit Fragen bezüglich des Sonnengotts und der Rhagar-Religion gelöchert hatten.
Sarwen kam aus ihrem Versteck, etwas enttäuscht darüber, dass ihre Mutter sie nicht gesucht hatte. Der Unterhaltung zwischen Daron und Magolas war sie aber dennoch mit halbem Ohr – und vielleicht auch gedämpftem Magiesinn –
gefolgt. »Ist doch nicht schlimm, wenn uns der Sonnengott besucht«, fand sie. »Er ist in einer Stadt angekommen, die am Meer liegt, so wie Aratania. Und wo es ganz viele Lichter gibt, sodass es in der Nacht fast so hell wie am Tag ist. Diese Stadt passt zu ihm und zu seinem strahlenden Gewand. Alles an ihm ist hell, und manchmal leuchtet er auch von innen. Es ist doch der Sonnengott, oder?«
»Nein«, sagte Magolas. »Es ist nicht der Sonnengott.«
»Dann hatte ich recht!«, triumphierte Daron und streckte Sarwen die Zunge heraus. Anschließend wandte er sich wieder an seinen Vater. »Und wieso hast du nie etwas von Andir erzählt?«
»Um euch zu schützen. Ihr solltet nicht an ihn denken, denn wenn ihr in eine Gedankenverbindung mit ihm geratet, besteht bereits die Gefahr, dass er euch beeinflusst.«
»Ist er böse?«
»Ich weiß nicht, was er vorhat. Aber ihr solltet jeden Gedanken an ihn unterbinden«, mahnte Magolas noch einmal.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er böse ist«, sagte Daron.
»Sein Gesicht sieht nämlich aus wie deins, nur dass es blasser und viel älter ist.«
»Versprecht mir, dass ihr ihn aus euren Gedanken verbannt«, forderte Magolas, und diesmal war sein Tonfall durchdrungen von väterlicher Strenge.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, versicherte Daron selbstbewusst. »Mich beeinflusst niemand.«
Sarwen hatte offenbar das Gefühl, im Moment nicht genug beachtet zu werden. »Seht mal, was ich kann!«, rief sie. Dabei deutete sie auf ihre Augen. Sie wurden für Augenblicke so pechschwarz wie die ihres Vaters; das Weiße war vollkommen verschwunden. Sie lachte. »Daron hat es mir gezeigt. Er kann es auch!«
Später, in der Nacht, fand Larana ihren Gemahl auf dem Westturm des Königspalasts, von dem man einen Rundumblick über die Hauptstadt Aratania hatte; sie war in der Regierungszeit des Großkönigs stark gewachsen. Nebel wallte in dicken grauweißen Schwaden über der aratanischen Bucht.
Die See war erstaunlich ruhig, das Rauschen viel leiser, als man es ansonst von den eher stürmischen Gewässern vor den Küsten von Aratan und Norien gewohnt war. Kein einziger Stern war am Himmel zu sehen, so wolkenverhangen und dunstig war es.
Magolas hatte ihr Kommen bemerkt und drehte sich zu ihr herum. Seine schwarzen Augen wirkten bei diesen Lichtverhältnissen wie die leeren Schädelhöhlen eines Leichnams, dem Krähen die Augäpfel ausgepickt hatten. Der Blick dieser Augen war für Larana immer zu einem gewissen Teil unergründlich geblieben.
»In dem Moment, als ich dich damals am Kai von Elbenhaven zum ersten Mal sah«, sagte er, »als du vom Schiff deines Vaters gestiegen bist, wusste ich, dass du die große Liebe meines Lebens bist – und daran hat sich bis heute nichts geändert, Larana.«
Sie berührte ihn am Oberarm. »Ich liebe dich ebenfalls noch mit derselben Intensität wie vor mehr als einem Menschenalter, als wir uns begegneten. Aber da ist noch etwas anderes. Eine
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