Die Elefanten Hannibals
karthagischen Seeräubern, die früher das Mittelmeer unsicher machten, hatten die Mar-seiller ein Bündnis mit Rom geschlossen, das Rom zwar bisher noch keine Vorteile gebracht hatte, jetzt aber von unschätzbarem Wert war.
Die Zenturionen, die das Ausschiffen befehligten, verboten den Legionären, ihre Waffen an Land mitzunehmen, denn kein Fremdling durfte die Stadt Marseille bewaffnet betreten.
Die Marseiller standen am Kai und empfingen die Römer, indem sie jedem ein kleines Geldstück in die Hand drückten.
Publius hatte schon in Rom von dieser merkwürdigen Sitte erfahren. Er antwortete dem Marseiller, der ihm das Geldstück überreicht hatte, deshalb nach altem Brauch mit den rätselhaften Worten: „Ich werde in die Unterwelt zurückkehren."
Sein Vater, der Konsul, sprach schon mit einigen Männern in Purpurgewändern. Es waren Mitglieder des Marseiller Rates der Sechshundert. Und sie machten ihm die bestürzende Mitteilung, daß Hannibal mit seinem gesamten Heer bereits die Pyrenäen überquert hatte, sich der Rhône näherte und viele Kampfelefanten mit sich führte. Dadurch war der Plan des römischen Senats, Hannibal in Iberien zu stellen und gleichzeitig Karthago anzugreifen, vereitelt worden. Hannibal war den Römern zuvorgekommen!
Welches Ziel verfolgt er? grübelte der Konsul. Weshalb entschloß er sich, die kurz zuvor unterworfenen iberischen Gebiete zu verlassen, obgleich dort jederzeit ein Aufstand aufflammen kann?
Niemand war imstande, ihm diese Fragen zu beantworten. Aber er mußte einen schnellen Entschluß fassen. Die Karthager konnten jeden Augenblick vor Marseille auftauchen.
Er rief einen Liktor und gab ihm einen Befehl. Unmittelbar danach rief ein Hornsignal die Legionäre zum Antreten. Obgleich sie sich noch nicht ganz von der Seekrankheit erholt hatten, mußten sie sofort hinter Marseilles Stadtmauern ein befestigtes Lager errichten.
Gefährlicher Übergang
Hannibals Elefanten schreiten voran. Das Heer stößt nicht mehr auf Hindernisse. Die Geschenke, die Hannibal aus der saguntinischen Beute verteilen ließ, ebnen ihm den Weg. Nach zehn Tagesmärschen steht er am Ufer der Rhône. Die Afrikaner, die es von daheim gewöhnt sind, mit jedem Tropfen Wasser zu geizen, bestaunen den breiten, wasserreichen Strom. Ein Land wie dieses, das mit dem Wasser nicht zu sparen braucht, muß verschwendungssüchtige Götter haben!
Der Feldherr späht zum anderen Ufer hinüber. Es ist leer. Könnte er die Rhône doch sofort schwimmend überqueren! Aber in seinem ganzen großen Heer gibt es kaum tausend Krieger, die schwimmen können. Und die Elefanten? Wie soll er die Elefanten über den Fluß bringen?
Tag und Nacht dröhnen Axtschläge über der Rhone. Die Krieger fällen Bäume und zimmern Flöße. Inzwischen wird das jenseitige Ufer von den Galliern besetzt.
Hannibal muß die Gallier unbedingt vertreiben, sonst ist an einen Ubergang über den Fluß nicht zu denken. Er ruft Magon zu sich und befiehlt ihm, mit einem hauptsächlich aus Iberern bestehenden Truppenteil stromaufwärts zu gehen, die Rhone an einer geeigneten Stelle zu überqueren und in einem bestimmten Augenblick die Gallier von hinten zu überfallen.
Nachts macht sich die Abteilung auf den Weg. Die Pferde gehen im Schritt. Magon hat ortskundige Führer bei sich. Fünfundzwanzig Meilen vom karthagischen Lager entfernt wird der Fluß seicht, teilt sich in mehrere Arme und bildet kleine baumbewachsene Inseln.
Magon springt vom Pferd und geht zum Wasser hinunter. Es riecht nach Algen. Dicht vor ihm stehen große Vögel auf einem Bein im Wasser. Sie haben ein rosa Gefieder, ihr kleiner Kopf sitzt auf einem anmutig gebogenen Hals. Es sind Flamingos, die er von den heimatlichen Gewässern kennt. Von einer Insel klingt ein fremdartiger Vogelschrei. Magon lauscht. Siebenmal ruft der Vogel, dann verstummt er. Das ist ein gutes Vorzeichen, denken die Krieger, treiben beherzt ihre Pferde ins Wasser und überqueren den Fluß.
Einen Tag später erblickt Hannibal am gegenüberliegenden Ufer, links vom Feind, eine Rauchsäule. Es ist das verabredete Signal dafür, daß Magons Abteilung den befohlenen Ort erreicht hat und zum Angriff bereit ist.
Kaum hat der Wind die schwarze Rauchsäule verweht, da beginnt Hannibal mit dem Übergang über die Rhone. Die Fußsoldaten steigen zu dritt oder zu viert in die am Ufer festgemachten Einbäume. Die Reiter setzen auf Flößen über und halten ihre nebenher schwimmenden Pferde
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