Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
Vom Netzwerk:
Schlachtfeld. Sie gaben den Verwundeten den Gnadenstoß, nahmen den Toten den Goldschmuck und den Pferden das silberbeschlagene Zaumzeug ab. In der Nähe schachteten mehrere Gefangene, von Berittenen bewacht, eine lange tiefe Grube aus. In ihr sollten die achttausend gefallenen Krieger des karthagischen Heeres gemeinsam begraben werden. 
    Zu Hannibal gesellten sich mehrere Kommandeure, unter ihnen auch sein Bruder Magon.
    „Freunde", sagte Hannibal, „von dieser Schlacht werden noch unsere Enkel und Urenkel berichten. Doch nun müssen wir ausruhen und neue Kräfte sammeln."
    „Wie kannst du jetzt von Ruhe reden!" brauste Magarbal auf. „Wir dürfen keinen Augenblick verlieren! Ich will mich mit der Reiterei sofort in Marsch setzen. Du folgst mir mit dem übrigen Heer nach. In vier Tagen werden wir in Roms Mauern unseren Sieg feiern!" 
    Nachdenklich schüttelte Hannibal den Kopf. 
    „Das ist noch zu früh."
    „Warum?" rief Magarbal. „Willst du etwa, daß auch dieser große Sieg den Krieg nicht beendet? Hast du die Absicht, Karthago aufzugeben und endgültig in Italien zu bleiben, ähnlich wie dein Vater, der seinen karthagischen Besitz verkaufte und sich in Iberien ansiedelte?" 
    „Nein, es ist noch zu früh", wiederholte Hannibal nachdrücklich. „Aber ich danke dir für deine Bereitwilligkeit, Rom zu erstürmen." 
    „Ich sehe, daß die Götter keinem Sterblichen restlos alle Begabungen schenken!" murmelte Magarbal bekümmert. „Du hast es gelernt zu siegen, Hannibal, aber du verstehst es nicht, deine Siege zu nützen." 
    Hannibal antwortete nicht. Er wandte sich ab und schlenderte ans Ufer des Aufidus, wo die Numidier die Gefangenen zusammentrieben. Magon holte ihn ein, und wortlos gingen die Brüder nebeneinanderher. Am Fluß blieben sie stehen, um die Gefangenen zu betrachten. Viele waren verwundet, und alle hatten erschöpfte, teilnahmslose Gesichter. Plötzlich löste sich ein etwa vierzigjähriger Mann mit hagerem, unrasiertem Gesicht aus ihrer Mitte. Er starrte Hannibal so selbstvergessen an, als hätte er einen Gott vor sich.
    „Willst du etwas von mir?" fragte Hannibal in gebrochenem Lateinisch. 
    „Du kannst griechisch mit mir sprechen", antwortete der Gefangene. 
    „Bist du Grieche?" erkundigte sich Hannibal in dieser Sprache. 
    Der Gefangene antwortete nicht, ließ aber noch immer kein Auge von Hannibal.
    „Warum schweigst du? Wenn du kein Römer bist, schenke ich dir die Freiheit."
    „Ich heiße Gnaeus Naevius", erwiderte der Gefangene, „und habe drei Naturen. Wenn ich an die Römer denke, die mir mein kampanisches Landgut nahmen, verfluche ich sie in kampanischer Sprache. Wenn ich mich darüber freue, daß ich am Leben geblieben bin, bete ich in griechischer Sprache zu den Musen. Aber meine Gedichte schreibe ich auf lateinisch."
    „Du bist also Dichter?"
    „Ja, ich wurde als Dichter bezeichnet, solange ich nach den Sagen Homers Theaterstücke schrieb. Seitdem ich aber Spottgedichte über das Patriziergeschlecht der Meteller verfasse, nennt man mich nur noch Naevius und ergänzt zuweilen: der Naevius, der im Gefängnis gesessen hat."
    „Was veranlaßte dich, Soldat zu werden, obgleich die Römer dich so schlecht behandelten?"
    „Ich wollte dich zu Gesicht bekommen. Der Dichter muß die Helden seiner Werke kennen. Ich will ein Poem über diesen Krieg schreiben."
    „Demnach habe ich schon einen eigenen Dichter!" lachte Hannibal. 
    „Erinnerst du dich an unseren Unterricht bei dem griechischen Lehrer Sosylos?" sagte er zu Magon. „Wer wüßte noch etwas von Alexander von Makedonien, hätte niemand seine Heldentaten schriftlich festgehalten. Vielleicht wird die Nachwelt auch über mich nur aus den Büchern dieses Römers, Griechen oder Kampaniers etwas Näheres erfahren. Führe ihn zum Troß und laß ihm dort drei Fladen Brot und drei Becher guten Wein geben."
    „Ein Glück, daß er nur drei Sprachen spricht", lachte Magon. „Spräche er so viele Sprachen wie du, dann müßte er einen ganzen Weinschlauch austrinken."
    „Und wenn du ihn abgeliefert hast, dann komm zu mir zurück", schloß Hannibal. „Ich muß mit dir sprechen."
    Magon war klar, daß er wieder eine Reise nach Karthago machen sollte. Diesmal hatte er keine Lust, Italien zu verlassen; denn er war überzeugt, daß Hannibal nun bald in Rom einziehen würde, und wollte gern die Niederlage der Römer mit ansehen. 
     
     
Tumult im Großen Rat
     
    Am ersten Tage nach der Ankunft in Karthago begab sich Magon

Weitere Kostenlose Bücher