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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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in den Großen Rat. Sein Bruder hatte ihn beauftragt, den letzten Sieg zu melden und um Verstärkung zu bitten.
    Sein Bericht wurde von Beifall und freudigen Ausrufen der Stadträte unterbrochen. Alle schienen die Gefühle zu teilen, die er als Teilnehmer und Augenzeuge der großen Schlacht empfand. Aber das war nicht der Fall.
    Hanno erstieg die Rednertribüne. Seine tiefliegenden Augen blickten hart und verächtlich, ein höhnisches Lächeln umspielte seinen Mund.
    „Wiederholt hat man uns hier von den Siegen berichtet, die Hannibal errang", begann er. „Erst vor kurzem meldete man uns einen großen Sieg an einem See, dessen Namen ich vergessen habe. Dagegen erinnere ich mich noch genau, daß Hannibal uns damals um fünftausend Reiter bat und ich persönlich zu meinem Freund Syphax reisen mußte, um sie zu beschaffen. Nun erfahren wir wiederum von einem großen Sieg. Und diesmal werden doppelt so viele Reiter und doppelt so viele Silberbarren von uns gefordert. Noch ein Cannae, und unsere Stadt hat kein Geld und auch keine Soldaten mehr." 
    Die Zuhörer lachten. 
    „Richtig, Hanno!" rief eine Stimme.
    Von dem Beifall beflügelt, fuhr Hanno fort: „Ich verstehe dich, Magon, ein Sieg macht blind. Schon dein Vater warf mir vor, daß ich die Zahl der Meuterer, die ich getötet oder gefangengenommen hatte, aufbausche. Gut möglich, daß das wahr ist. Aber habt ihr schon jemals gehört, daß an einem einzigen Tage fünfundvierzigtausend Soldaten vernichtet wurden? Und schließlich - willst du uns nicht erklären, wie dein Bruder es fertigbrachte, in einer so ungeheuren Menge von Toten die gefallenen Senatoren und Ritter zu zählen?"
    Da warf Magon den Ratsherren wortlos einen kleinen Leinensack auf den Tisch. Im Saal wurde es still. Jeder glaubte, daß der Sack erbeutete Listen oder andere Beweisstücke enthielte.
    Aber als Magon die Verschnürung aufriß, fielen goldene Ringe heraus, Hunderte, Tausende von Ringen. Sie bedeckten den Tisch, einige rollten zu Boden, und hastig sprangen die Ratsherren hinzu, um sie aufzulesen. 
    „Was soll das bedeuten?" riefen erstaunte Stimmen. 
    „Die Römer tragen Ringe an den Fingern, genau wie wir", erwiderte Magon sachlich. „Doch im Gegensatz zu uns sind bei ihnen die Ringe keine Belohnungen für siegreiche Feldzüge, sondern Zeichen der Senatoren- oder Ritterwürde. Kein Römer trägt mehr als einen Ring. Diese Ringe wurden auf dem Schlachtfeld von Cannae gesammelt. Zähle nach, Hanno, wie viele römische Senatoren und Ritter in dieser Schlacht fielen."
    Die Ratsherren klatschten Beifall.
    Hanno antwortete nicht. Das Blut war ihm ins Gesicht geschossen. Wieder war es den Söhnen Hamilkars gelungen, die Zustimmung des Großen Rates zu erlangen. Wieder hatten sie ihr Ziel erreicht. 
    „Zähle, Hanno!" rief Magon. „Was zögerst du? Du kannst doch so gut rechnen! Bist du so ungeduldig, deinen Anteil an der italischen Beute zu erhalten? Du kommst mir vor wie ein Wucherer, der Prozente haben will, ohne etwas verliehen zu haben."
    Die Worte trafen Hanno wie Hammerschläge. Er konnte ihnen nicht ausweichen. Unter den spöttischen Blicken der Ratsherren verließ er den Saal. 
    Es war ein Sieg Hannibals und seiner Brüder, der scherzhaft als zweites Cannae bezeichnet wurde.
    Mit großer Mehrheit beschloß der karthagische Rat, Hannibal viertausend numidische Reiter, vierzig Elefanten und tausend Barren Silber zu schicken. Magon erhielt den Auftrag, nach Iberien zu fahren und dort zwanzigtausend Infanteristen und viertausend Kavalleristen zu sammeln. Dieses Heer sollte ebenfalls nach Italien geschickt werden. 
    Freudig erregt verließ Magon den Großen Rat. Vor dem Ausgang wartete ein Reiter. Sein Schimmel scharrte ungeduldig mit den Hufen. 
    Bewundernd betrachtete Magon das herrliche Pferd. In den Jahren, die er in Hannibals Heer verbracht hatte, waren ihm viele schnellfüßige Renner vor Augen gekommen. Aber er konnte bei Melkart schwören, daß sich darunter kein so edles Pferd befunden hatte. Es war weiß wie Kreide; und kein anderes Pferd hatte wohl so starke, schlanke Beine.
    Magon war dermaßen in die Betrachtung des Schimmels vertieft, daß er nicht auf den Reiter achtete, der einen Umhang aus Leopardenfell auf dem wohlgebauten, hageren Leib trug. Er mochte höchstens dreißig Jahre alt sein.
    „Sei gegrüßt, Magon!" sagte er und sprang aus dem Sattel. „Ich habe dich sofort erkannt."
    Magon warf ihm einen forschenden Blick zu. Nein, er sah dieses Gesicht zum

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