Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
seltsam finde, sondern weil ich Angst habe, dass irgendwann mein Speicher voll ist. Das ist Monas Vater nämlich mal mit seinem Computer passiert. Und von dem Moment an würde ich dann alles vergessen, zum Beispiel wann ich mit Mona verabredet bin oder wo ich den Todesstern hingelegt habe. Das wäre völlig bescheuert.
Aber jetzt war mein Speicher nicht voll und in meinem Kopf blinkte die rote Aufnahmelampe.
„Mein Alter rät mir lediglich, die Dinge, die meine Wege kreuzen, mit Sorgfalt zu beleuchten.“
Das ist irre, dass jemand so redet. Und es klang bei ihm nicht einmal wie Verarsche. Ich beschloss alles, was Serrano sagte, in höchster Qualität in meinem Kopf aufzunehmen, damit ich hinterher Mona alles genau erzählen konnte. Das ist natürlich gefährlich. Weil die höchste Aufnahmequalität wahnsinnig viel Speicher braucht.
„Viel zu lernen du noch hast. Viel zu lernen du noch hast". Ackckackckackckackckackackackackack.
Jetzt wusste ich plötzlich, an wen mich Serrano erinnerte. Die Macht hatte mich zu ihm geführt. Und ich hatte etwas durcheinander gebracht und ihn für einen Bombenbauer gehalten. Aber ich hatte die falsche Schublade erwischt. Ich hatte ihn in den falschen Film gesteckt. Das war ja doof. Serrano war Yoda, der Chef der Jedi-Ritter. Er war genauso klein und hatte auch so ein verschrumpeltes Gesicht. Und er wackelte den Kopf ganz komisch hin und her, wenn er redete. Ich bin sofort darauf gekommen war, dass er Yoda ist, als er mir den Fruchtsaft eingeschenkt hat. Da hat er den Kopf gedreht und seine dreieckigen riesigen Opa-Ohren waren direkt vor meinem Gesicht.
Mein Biologielehrer hat uns einmal erzählt, dass die Ohren beim Menschen nie zu wachsen aufhören. Sie werden immer grösser. Selbst wenn jemand 200 Jahre alt wird. Ich habe mal mit Mona in ihrem Kinderzimmer rumgeblödelt. Mona hat gesagt, dass man mit 200 Jahren so große Ohren hat, dass man sie bei Regen wie einen Schirm über den Kopf drehen kann. Das wäre super, weil ich doch meinen Schirm ständig irgendwo liegen lasse und meine Mutter dann mit mir schimpft. Aber ich kann mir den Schirm ja nicht dauernd an einer Schnur um den Hals hängen wie ein Blödmann. Deshalb ist das mit den Ohren, die immer weiter wachsen, super. Dann vergisst man seinen Regenschirm nie mehr, weil man gar keinen Regenschirm mehr braucht.
Aber dass Serrano Yoda oder ein naher Verwandter sein muss, darauf bin ich gekommen, weil ein riesiges Büschel Haare aus seinem Ohr gewachsen ist. Das ist komisch, weil ich gar nicht weiß, ob Yoda auch Haarbüschel in den Ohrmuscheln hat. Serranos riesige Ohren mit den Haarbüscheln haben aber total außerirdisch ausgesehen, als er mir den Fruchtsaft eingeschenkt hat. Deshalb bin ich darauf gekommen. Ich habe natürlich in meinem Filmarchiv gestöbert und in meinem Kopf wie ein Wahnsinniger hin und her gespult. Aber ich habe keine Szene gefunden, wo Yodas Ohren ganz nah waren. Und heranzoomen konnte ich auch nicht. Ackckackckackckackckackackackackack. Totaler Serrano Marsalarm.
Vielleicht habe ich auch nichts gefunden, weil ich gleichzeitig ja Serrano in bester Qualität aufzeichnen muss, damit ich hinterher alles Mona erzählen kann und nichts vergesse. Damit ich ihn noch mal herlocken konnte, musste ich mein drittes Saftglas in einem Zug austrinken und ihn dann auf Yodaisch ansprechen.
„Einen Fruchtsaft ich noch möchte“, sagte ich. Mein Vater sah mich böse an und schubste mich unter dem Tisch. Er meinte, dass ich mein Versprechen nicht halten werde. Das mit dem Replikantentest. Dass es eben kein Replikantentest mit Serrano war. Erwachsene haben immer Angst, dass Kinder ihre Versprechen nicht halten. Das fällt mir jetzt wieder auf. Wahrscheinlich weil sie Kinder für unterbelichtet halten. Aber das ist gemein. Mona hat einmal gesagt, dass kommt daher, dass die Erwachsenen selber ihre Versprechen nicht halten. Vor allem Kindern gegenüber nicht. Sie meinen was sie Kindern versprechen ist egal. Was sie ihrem Chef versprechen machen die Erwachsenen, weil ihnen der Chef sonst in den Hintern tritt.
10
Manchmal haben Erwachsene diesen Blick „vergeig es jetzt nicht“. So wie mein Sportlehrer: „Vergeig es jetzt nicht Billy und fang den Ball.“ Mein Vater dachte, dass er jetzt, wo er soviel gelabert hatte, die Mafiaanwälte von Serrano vom Hals hatte und ich jetzt wieder alles kaputt machte.
Er hatte Angst, dass ich jetzt doch den Replikantentest mit Serrano machte. Obwohl ich gerade gesagt hatte, dass
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