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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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umzudrehen sagte er:
    „Ach lassen Sie ihn. Das stört mich nicht.“
    Dann kam er mit meinem schwarzen Tee aus Indien, „Baumkronentee“, und ich fühlte mich ziemlich wohl. Schwarzer Baumkronentee ist lecker. Vielleicht kauft uns Monas Mutter mal welchen. Ich werde sie das nächste Mal fragen. Aber erst werde ich meine Mutter löchern, wenn wir das nächste Mal im Supermarkt sind. Damit wir auch welchen zu Hause haben.
    Ich überlegte gerade, ob schwarzer Baumkronentee aus Indien im Supermarkt im Regal eine Reihe über den Kräutertees ist, oder doch im Regal mit den exotischen Sachen. Das ließ mich nicht los und ich hatte Angst, dass ich unruhig werde. Dann fliege ich nämlich aus der Bahn wie ein Rennwagen und Yoda hat einen schlechten Eindruck von mir. Deshalb wollte ich meine Mutter nach dem Baumkronentee fragen. Aber mein Vater kam mir zuvor:
    „Wie alt ist ihr Enkel eigentlich?“
    „Er wäre jetzt 14“, sagte Serrano leise.
    „Oh“. Jetzt schwieg mein Vater betreten.
    „Dann ist er genauso alt wie Phillipp. Er wäre jetzt auch 14“, sagte ich.
    „Seit letzten Dienstag. Phillipp ist mein großer Bruder. Aber er ist auch tot. Hat ihr Enkel auch Elefanten gemocht?“
    Mein Vater packte mich am Arm.
    „Sei jetzt still.“
    Aber Serrano wechselte trotzdem nicht das Thema. Sein Enkel hieß Miguel. Auch ein doofer Name, aber das sagte ich natürlich nicht, weil Yoda so traurig war. Und Miguel kann genauso wenig etwas für seinen bescheuerten Namen wie ich.
    Serranos Enkel war mit dem Flugzeug abgestürzt. Mit seinem Vater und seiner Mutter und noch 20 anderen. Das Flugzeug ist bei schlechter Sicht an einen Berg geprallt. Ich dachte, in Spanien scheint immer die Sonne. Das ist ja bescheuert, dass man ausgerechnet in einem Land, wo immer die Sonne scheint, wegen schlechter Sicht abstürzen kann. Ich war mit meinen Eltern mal in England. Wir waren nur zwei Tage dort. Aber in den zwei Tagen hat nie die Sonne geschienen. Es war so ein Edgar-Wallace-Wetter. So mit Nebel und Nieselregen, wo man abends immer Angst hat, dass einem jemand von hinten ein Messer in den Rücken rennt. Auf Edgar-Wallace-Wetter ist eigentlich Mona gekommen. Sie mag eigentlich keine Schwarzweiß-Filme. Aber mir zuliebe schaut sie immer wieder mal einen an. Ich schaue mit ihr dafür drei bunte an. Dafür muss sie mit mir einen Schwarzweiß-Film anschauen. Das ist fair.

12
    Wenn jemand in England wegen schlechter Sicht an einen Berg prallt, dann verstehe ich das. Aber nicht in Spanien. Aber vielleicht ist das egal. Tot ist man ja sowieso. Und ob man jetzt in Spanien oder England tot ist, ist wahrscheinlich egal.
    Und es war noch etwas anders. Miguel und seine Eltern waren gar nicht in Urlaub in Spanien. Sie haben da gewohnt und der Vater von Miguel war auch eine Art Berater wie mein Vater. Aber nicht für Firmen, denen er erzählt, was sie tun müssen, damit sie nicht pleite gehen, sondern für die Landwirtschaft.
    Sie sind ganz oft mit einem Flugzeug zwischen den Farmen herumgeflogen. So wie in „Jenseits von Afrika“. Da ist das Flugzeug ja auch abgestürzt. Aber es war kleiner. Vielleicht braucht man in Afrika nicht so große Flugzeuge. Sie sind bestimmt auf roten Erdpisten gelandet. Der Vater von Miguel wurde dann nach der Landung von einem Jeep abgeholt. Er hatte immer einen weißen Anzug an und noch zwei Leute dabei mit schwarzen Aktenkoffern. Dann ging er in die Farmhäuser und hat die Leute beraten, was sie tun müssen, damit sie mehr Ernte haben oder ihre Felder nicht verdorren. Das geht ratzfatz, wenn immer die Sonne scheint. Ich habe nämlich auch eine Pflanze auf meinem Fensterbrett, die ständig verdorrt. Das heißt, es ist natürlich immer eine andere. Ich müsste sie jeden Tag gießen, im Sommer auf alle Fälle. Aber das vergesse ich meistens, und dann gehen sie kaputt. Wenn ich nicht nur eine Pflanze hätte, sondern 500 Millionen, dann würde jemand wie Miguels Vater zu mir kommen und mich daran erinnern, dass ich meine Pflanzen gieße und sie nicht kaputtgehen.
    Er wäre bestimmt so penetrant wie mein Vater, wenn es um die Schulaufgaben geht.
    „Hast Du Deine Pflanzen schon gegossen?“
    „Ich habe schon alles vorbereitet. Ich schaue nur noch den Film fertig.“
    „Willst Du mich verarschen, Sportsfreund? Du gießt die Pflanzen jetzt, klar? SOFORT!“
    Dann wäre meine Zimmerpflanze auch nie eingegangen. Aber das tut sie jetzt auch nicht mehr, denn meine Mutter hat mir im Supermarkt eine Hydrokultur mitgenommen.

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