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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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Gedanken gemacht, was ich einmal werden will. Das muss ich auch noch nicht. Ich bin ja erst elf. Meistens lassen mich die Erwachsenen mit solchen Fragen in Ruhe. Nur wenn meine Mutter ihr Kaffeekränzchen macht und Tante Erika ganz besonders langweilig ist, dann habe ich früher oder später diese blöde Frage an der Backe. Dann wird es ganz still und alle sehen mich lächelnd an, als sollte ich ihnen sagen, wo ein Piratenschatz vergraben ist, der sie alle reich macht. Jetzt gerade fällt mir auf, dass Tante Erika mich bei dieser Frage nie direkt anredet, sie sagt also nicht: „Billy, was willst Du einmal werden?“
    Sie macht alles durch das Hintertürchen. Sie sieht nämlich immer meine Mutter an und fragt dann: „Weiß der Kleine schon, was er werden will?“
    Dabei will sie gar nicht, dass meine Mutter antwortet, sondern dass ich ihr etwas dazu sage. Aber ansehen tut sie meine Mutter. Vielleicht macht sie das, weil sie die Augen nicht so verdrehen kann wie Otto. Irgendwie ist Tante Erika auch so verkorkst wie ein Chamäleon.
    Beim ersten Mal hat mich diese Frage richtig erschreckt. Aber nicht sofort. Erst ein paar Tage später. Mein Fusionsreaktor ließ die Frage nicht sofort hinein zur Weiterverarbeitung. Weil ich mit einer neuen Flugbahn des Todessterns beschäftigt war und mit fünf Videos, die ich noch nicht gesehen hatte. Ich werde beispielsweise mit dem Todesstern nicht mehr so nah am Küchentisch vorbeifliegen und auch nicht mehr durch das Bad, wenn meine Mutter gerade die Fliesen gewischt hat. Sie hat natürlich keine Angst, dass ich mit meiner Strahlenkanone ihre Fliesen kaputtmache, wenn ich mit Lichtgeschwindigkeit durchs Bad sause, aber dass ich ausrutsche und mir den Kopf anhaue, und dann noch öfter zu Frau Dr. Iguanodon-Nöllendorf muss. Eeeeekkk, Ackckackckackckackckackackackackack. Dafür bekomme ich drei Punkte.
    Dann irgendwann bin ich erschrocken. Bis dahin hatte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht, dass man überhaupt etwas werden musste. Aber scheinbar erwarteten das die Erwachsenen von Kindern.
    Ich sagte einmal auf die Frage von Tante Erika „Was will der Kleine denn einmal werden“, dass ich gerne mit Mona Film-Anseher werden würde. Das wäre super. Einen Moment war ich beruhigt. Denn eigentlich bin ich das ja sowieso schon, Film-Anseher. Ich habe schon mehr Filme gesehen als die meisten Erwachsenen. Und vor allen Dingen vergesse ich nie etwas, was ich einmal in einem Film gesehen habe. Ich habe einmal gemerkt, dass ich mir fast alle Dialoge in einem Film merken kann. Wenn ich auf eine schwierige Frage keine Antwort weiß, brauche ich nur eine Schnellsuche im Filmarchiv in meinem Kopf machen und dann sage ich einfach das, was Harrison Ford oder Clint Eastwood schon mal in einem Film gesagt haben. Nur wenn es passt natürlich. Das merken die Erwachsenen meistens nicht, weil sie scheinbar alle Filme sofort wieder vergessen, wenn sie aus dem Kino gegangen sind.
    Der Einzige, der jemals gemerkt hat, dass ich mir viele meiner Antworten gar nicht selber ausdenke, war Gerd. Er sagte nämlich mal zu mir:
    „Du musst dir deine Antworten mal selber überlegen, verstehst du? Das Leben ist kein Film.“
    Ich bin einfach davongelaufen und hinterher sind wir noch ein paar Stunden bei Tante Erika im Wohnzimmer gesessen und als Gerd anfing rumzunölen, wurden meine Eltern schnell müde und sind mit mir gefahren. Eine Woche später war Gerd schon tot. Hinterher habe ich mir oft überlegt, ob ich das mit Gerd nicht einfach nur geträumt habe. Aber er hat es wirklich gesagt.
    Als ich Tante Erika antwortete, dass ich Film-Anseher werden wollte, haben alle gelacht. Ich habe nicht verstanden, warum. Meine Mutter sagte:
    „Film-Anseher kann man nicht werden. Fürs Filme-Ansehen bezahlt einem keiner Geld.“
    Die anderen Frauen, die bei meiner Mutter zu Besuch waren, nickten, als wäre das sonnenklar. Das verstand ich nicht und wenn ich etwas nicht verstehe, kommt mein Prozessor im Kopf durcheinander.
    Nach außen sieht das bei mir für die Erwachsenen störrisch aus. Sie halten mich dann für ein Esel-Kind, das aus reiner Sturheit nicht weitergehen will. Aber das stimmt nicht. Um mich abzureagieren ist es am besten, wenn ich 40-mal um eine Säule laufen kann wie an der Garageneinfahrt. Aber in unserer Küche gibt es keine Säulen.
    „Für das Verkaufen von Unterhosen bekommt man doch auch Geld, wieso nicht für das Filme-Ansehen?“
    Das findet meine Tante lustig. Aber eine vernünftige Antwort

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