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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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halten. Dann machen sie uns kaputt, bevor die Krankheit auf sie übergreift.
    Das habe ich auch Frau Dr. Müller-Nöllendorf gesagt und sie gefragt, ob sie das nicht genauso sieht? Sie hat aber nur geseufzt und mich zur Türe rausgeschoben, weil angeblich irgendein anderer nach mir eine Stunde bei ihr hatte.
    Ich stelle mir vor, dass auf meiner Farm ganz viele Orangenbäume wachsen. Wenn man auf das Hausdach steigt, dann ist in allen vier Himmelsrichtungen bis zum Horizont alles orange. Ich stelle mir auch vor, dass dann jeden morgen die Elefanten kommen und mit ihren Rüsseln die Orangen pflücken und sich damit den Ranzen voll schlagen. Das würden Mona und ich jedenfalls machen, wenn wir Elefanten wären.
    Mona meinte aber, dass das irgendwie auch ungerecht ist. Ich kam nicht gleich darauf, was sie meinte, aber sie hatte recht. Die großen Elefanten werden nämlich zuerst die Orangen fressen, die weiter unten an den Bäumen sind. Dann müssen sie sich nicht so strecken. Ich glaube nämlich, dass Elefanten auch manchmal ganz schön faul sind. Aber wenn unten rum alles weggefressen ist, dann haben die kleinen Elefanten nichts mehr zu fressen. Weil sie ja mit ihren kurzen Beinen und kurzen Rüsseln gar nicht hochkommen bis zu den Baumkronen, wo dann noch Orangen hängen. Natürlich könnten die großen Elefanten den kleinen Elefanten Orangen von oben pflücken und dann herunterreichen. Aber das tun sie bestimmt nicht. Deshalb soll es auf meiner Farm einen Extragarten mit Orangenbäumen geben, in dem nur kleine Elefanten Zutritt haben. Dann ist alles ganz gerecht geregelt.
    Unser Besuch bei Serrano war ein voller Erfolg. Das sagt mein Vater so, wenn etwas ziemlich gut gelaufen ist. Es ist nie einfach nur OK oder einfach gar nichts. Es ist immer irgendwas wie ein „voller Erfolg“ oder eine „Katastrophe“. Ich glaube es war sogar alles zusammen. Zuerst war es ein Erfolg, als er meinte, dass Serrano uns nicht wegen Verleumdung verklagen wird, weil mein Vater so geschickt argumentiert hat, dass die Richter einem ADS-Kind nichts tun. Als ich dann mit Socken auf Serranos Ehebett gehopst bin, weil mir keiner was zur Hydrokultur sagte, war es eine Katastrophe. Als Serrano dann gemerkt hat, dass ich auch einen toten Bruder habe, der Elefanten mochte, hat er fast zu weinen angefangen. Das wollte ich nicht. Aber unter dem Strich war unser Gespräch so ein voller Erfolg. Und ich habe mich nicht einmal richtig entschuldigt. Aber das hätte ich sogar. Weil ich Yoda sehr mag. Und ich glaube, er mag mich auch, obwohl ich auf seinem Bett herum gehopst bin und seinen Pipitee nicht getrunken habe.
    Im ersten Teil der Heimfahrt, bis wir zu der Brücke kamen, war alles gut. Dann rauschten wir aber am Krankenhaus vorbei, in dem meine Mutter arbeitet und meine Eltern fingen zu streiten an. Eigentlich fing mein Vater an, weil er wieder von Hr. Eberhardt laberte. Er sagte natürlich nicht direkt „Hr. Eberhardt“, sondern fragte:
    „Siehst Du IHN noch?“
    Meine Mutter sagte:
    „Lass das. Das können wir in Ruhe daheim besprechen.“
    Das stimmt aber auch nicht. Denn wenn sie streiten, dann holt mein Vater ein Bier aus dem Kühlschrank und fängt zu schreien an. Und das höre ich natürlich. Wir wohnen ja nicht in einem Schloss, wo man im Ostflügel nichts hört, wenn einer im Westflügel herumbrüllt. Darum verstehe ich auch nicht, warum meine Mutter solche Sachen sagt. Wahrscheinlich will sie nicht, dass ich ihren Streit im Auto mitbekomme. Aber daheim bekomme ich ihn ja auch mit, ihren Streit. Komisch.
    Obwohl alles ein voller Erfolg war, hat dann beim Abendbrot keiner ein Wort geredet. Außer mir. Ich wollte, dass mein Vater ausrechnet, wie viel eine Hydrokultur für eine Farm mit Orangenbäumen kostet. Er hatte aber keine Lust und hat herumgeeiert, dass man das so pauschal nicht sagen kann und von ganz vielen Dingen abhängt, die wir alle nicht wissen. Wenn man erwachsen ist, dann reicht ein voller Erfolg nicht, um einen guten Tag zu haben. Vielleicht braucht man als Erwachsener zwei volle Erfolge, um einen guten Tag zu haben. Das stelle ich mir mal ziemlich anstrengend vor. Deshalb will ich eigentlich gar nicht erwachsen werden, wenn das Erwachsensein so ein Chaos ist.
     
     
     

13
    Wenn man erwachsen ist, dann muss man nämlich auch was werden, was man dann immer macht. Das ist total nervig. Ich will auf keinen Fall Bombenbauer werden. Nicht einmal, wenn meine Eltern das wollten. Eigentlich habe ich mir noch gar keine

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