Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
beinahe zugestimmt hätte, dass sie mich in das Mafia-Krankenhaus einweisen. Dann haben meine Eltern den ganzen Abend gestritten und ich konnte endlich in mein Zimmer, um Video zu schauen.
Gerd hat mich mal gefragt, warum ich mir so alte Filme anschaue. Ich habe gesagt, dass ich sie eben gerne mit Mona ansehe. Gerd meinte, „ja schon, aber warum schaust DU sie so gerne an? Was gefällt DIR daran?“
Das sind mehrere Sachen. Gerd ist der erste Mensch, außer Mona natürlich, dem ich erzählt habe, dass mich das Rauschen von den kaputten Filmkopien beruhigt. Weil es wie Regen ist, der auf ein Zirkuszelt trommelt. Manche Filme sind so farbig, dass ich komplett durchdrehe, wenn ich einen schlechten Tag habe. Nein, nicht wenn ich einen schlechten Tag habe, sondern wenn mein Fusionsreaktor am Anschlag läuft. Dann bringen mich die vielen Farben dazu, dass mein Fuß zuckt und ich aufspringe und in meinem Zimmer herumrenne. Ganz schlimm ist es auch, wenn die Schnitte im Film so schnell sind, dass mein Speicher überläuft. Eeeeekkk, Ackckackckackckackckackackackackack. Das fand Gerd nicht mal komisch.
Er ging dann zu meiner Mutter und sagte, dass er mich für eigen, aber ganz normal hält und dass mich Frau Dr. Müller-Nöllendorf irgendwann komplett irre machen wird.
„Er bracht keine Therapie. Es muss sich nur mal jemand ernsthaft mit dem Jungen abgeben.“
Aber mir fällt jetzt noch etwas ein, warum ich zum Beispiel Miss Marple Filme mag. Das habe ich Gerd nicht mehr erzählen können. Es ist nicht nur wegen dem Rauschen. Ich wäre auch gerne Detektiv. Ja, wirklich. Das ist cool. Aber nicht nur cool, es ist auch schön. Ich kläre gerne Dinge auf. Noch lieber wäre ich natürlich Spaziergänger. Aber wenn man schon etwas werden muss, wofür man Geld bekommt, dann möchte ich vielleicht Detektiv werden. Raumkommandant auch, aber von den Berufen, bei denen mein Vater nicht die Stirn runzelt, steht Detektiv ganz oben.
Mein Vater war zuerst ganz erleichtert, als ich ihm gesagt habe, dass ich Detektiv werden will. Vielleicht hat er gemeint, dass ich so doof bin, und Detektiv und Polizist nicht auseinanderhalten kann. Wahrscheinlich hat er gemeint, ich werde Polizei-Detective in Manhattan und kläre dort beim NYPD Morde auf. Aber das will ich gar nicht. Irgendwie. Ich möchte ein Detektiv sein wie Miss Marple oder Sherlock Holmes.
Ich möchte auf keinen Fall ein Berater werden und doofen Firmen erklären, wie sie nicht pleite gehen. Sollen sie doch pleite gehen, die doofen Firmen. Wahrscheinlich fällt sowieso niemand auf, wenn sie weg sind. Außer sie machen Spielzeug-Todessterne oder Flugzeug-Quartetts.
19
Ein paar Wochen, nachdem sie uns rausgeworfen hat, haben meine Eltern überhaupt nicht mehr über Frau Dr. Müller-Nöllendorf geredet. Ich dachte schon, jetzt hätte ich vielleicht endlich Ruhe. Aber Erwachsene können Kinder nie in Ruhe lassen. Plötzlich hat meine Mutter nämlich gesagt, dass sie eine neue Psychologin gefunden hat. Auf Empfehlung und dass sie ganz nett ist und ich mich bestimmt ganz gut mit ihr verstehe. Das stimmte aber überhaupt nicht, weil meine neue Psychologin Mundgeruch hat und ich deshalb zuerst nicht mit ihr reden wollte.
Manchmal hatte ich Angst vor der Iguanodondame. Aber sie roch nicht. Meine Mutter sagte, dass Frau Dr. Käfer dafür nichts kann. Man kann nämlich trotzdem Mundgeruch haben, auch wenn man sich ganz viel die Zähne putzt. Manche Leute haben Mundgeruch, weil sie zum Beispiel ganz viele Zigaretten rauchen oder einen kaputten Magen haben.
Frau Dr. Gerda Käfer sieht genau so aus wie die Wissenschaftlerin in „Andromeda, tödlicher Staub aus dem All“. Eeeeekkk, Ackckackckackckackckackackackackack. Das liegt an ihrer Brille, aber auch, weil sie immer einen weißen Kittel anhat. Frau Dr. Müller-Nöllendorf hat überhaupt nicht ausgesehen wie eine Ärztin, eher so wie eine Vorstandsvorsitzende oder Regierungschefin. Oder eine Fürstin, weil sie manchmal sogar eine Perlenkette um den Hals hatte. Die Andromeda-Dame hat aber immer einen weißen Kittel an. Sie schaut einen durch ihre dicken Brillengläser auch immer so komisch an wie einen Automotor, der die Abgasnorm nicht einhält. Bei Frau Dr. Müller-Nöllendorf musste man Angst haben, dass sie einen hypnotisiert wie die Schlange Kaa aus Mowgli. Bei Frau Dr. Käfer hat man immer Angst, dass sie einen Schraubenzieher aus einer ihrer Taschen zieht und einem den Deckel abschraubt.
Ich habe gleich nach meinem ersten
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