Die Elementare von Calderon
fiel etwas Schwarzes rauchend in den Schnee, und der Geruch verbrannten Fleisches stieg Amara in die Nase.
Sie lief zu Bernard und half dem Wehrhöfer auf. Sie sah den Mann, der sie zuerst angegriffen hatte, erst, als es fast zu spät war. Er erhob sich, zog ein Messer aus dem Gürtel und schleuderte es aus dem Handgelenk auf sie. Die Waffe flog pfeifend auf sie zu.
Bernard sah es ebenfalls und zog Amara nach unten, um dem Messer auszuweichen.
Die Klinge traf Graem in den unteren Rücken.
Die Waffe bohrte sich elementargewirkt mit solcher Kraft in sein Fleisch, dass Graem mehrere Schritte vorwärts geschleudert wurde. Er fiel in den Schnee, brachte kaum einen Schrei oder auch nur ein Keuchen hervor und lag still.
Jemand auf der Mauer rief einen Befehl, und zwei Legionares mit Bögen schossen auf den Mann unter ihnen. Die Pfeile erwischten ihn im Schenkel und im Nacken, und die blutige Spitze des letzten Geschosses ragte dem Ritter Aeris vorn aus der Kehle. Auch er ging zu Boden, und im Schnee breitete sich rasch eine rote Lache aus.
»Wo ist der letzte?«, fragte Amara. Sie erhob sich und suchte den Himmel ab. Aus den Augenwinkeln nahm sie ein Lichtflackern wahr, doch als sie sich in diese Richtung wandte, war es verschwunden. Vorsichtig schickte sie Cirrus aus, aber der Elementar entdeckte nichts, und nachdem er ziellos einige Momente gesucht hatte, gab Amara auf.
»Nicht gut«, flüsterte sie. »Er ist entkommen.«
Bernard grunzte und stand auf. Das eine Bein hielt er fest, und das Gesicht hatte er vor Schmerz verzerrt. »Graem.«
Pluvus und einige Legionares hatten sich über Graem gebeugt, der immer noch im Schnee lag. Der Wahrheitssucher war erbleicht. »Heiler!«, kreischte er. »So hole jemand den Heiler! Der
Graf ist verwundet, holt den Heiler!« Um ihn herum standen Legionares wie benommen da und starrten auf den Mann mit den feuerroten Haaren.
Amara seufzte niedergeschlagen und schnappte sich den Soldaten neben ihr. »Du«, sagte sie. »Hol den Heiler. Sofort.« Der Mann nickte und lief davon.
»Ihr«, sagte Pluvus. In seinem Gesicht mischten sich Leid, Wut und Angst. »Ich weiß nicht, wer diese Männer waren oder was hier vor sich geht, aber ihr seid dafür verantwortlich. Ihr seid gekommen, um den Grafen zu ermorden. Das ist alles eure Schuld.«
»Bist du verrückt geworden?«, fragte Amara. »Diese Männer sind der Feind! Du musst das Lager in Alarmbereitschaft versetzen!«
»Du hast mir gar nichts zu befehlen wie einem gemeinen Sklaven, Frau!«, schrie Pluvus. »Zenturio«, brüllte er. Trotz der Triefaugen strahlte er Autorität aus. »Du hast gesehen, was passiert ist. Nimm diese beiden in Gewahrsam, sie werden wegen Mordes und Hochverrats gegen die Krone angeklagt. Wirf sie in den Kerker.«
30
Ihrer Erschöpfung zum Trotz konnte Isana nicht schlafen.
Die ganze Nacht hielt sie Odianas Kopf im Schoß und beobachtete das Fieber, konnte ansonsten jedoch wenig für die andere Frau tun. Durch die Ritzen in den Wänden des Räucherhauses fiel bleiches Licht herein, als über Kordhof ein grauer Wintermorgen
dämmerte. Isana hörte die Tiere draußen, Männer, die sich unterhielten, dazu raues Gelächter.
Zwar drang kühle Luft von außen herein, dennoch herrschte im Räucherhaus eine unerträgliche Hitze, die der Ring aus Glut erzeugte. Ihre Kehle, die schon eine Ewigkeit lang ausgedörrt war, tat weh, und manchmal fühlte es sich an, als könne Isana nicht mehr genug Luft schöpfen, um ihre Lungen zu füllen. So schwankte sie und hatte Schwierigkeiten, aufrecht zu sitzen.
Einmal, als sich Odiana unruhig hin und her warf, erhob sich Isana und ging zur anderen Seite des Kreises. Vor Hitze und Durst schwindelte ihr, dennoch raffte sie die Röcke zusammen und versuchte, über die Kohlen zu springen. Es war nur ein kurzer Schritt nach drüben. Natürlich wusste sie, dass die Tür verschlossen und verriegelt war. Vielleicht könnte sie ein Brett in der Wand lösen, vielleicht würde sie etwas finden, das sie als Waffe benutzen konnte, wenn sie einen Fluchtversuch unternähme.
Doch noch ehe sie den Fuß richtig gehoben hatte, begann der Boden auf der anderen Seite der Glut, sich zu bewegen, und die schwere Gestalt von Kords unförmigem Elementar erhob sich aus der Erde. Sofort wich Isana zurück.
Das abscheuliche Ding sank langsam wieder in die Erde.
Isana ballte die Hände zu Fäusten, kehrte niedergeschlagen zu Odiana um und nahm den Kopf der Frau wieder auf den Schoß. Die Frau wimmerte im
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