Die Elementare von Calderon
Elementar zeigte ihr ein dunkles Bild von irgendeinem Tümpel, der sich vermutlich in der Kiefernsenke befand. Ein vager Schemen, vielleicht Bernard, schritt durch den Ausschnitt und war dann wieder verschwunden. Isana schüttelte den Kopf. Bächleins Bilder waren nicht immer ganz klar, aber offensichtlich spürten Bernard und Tavi weiterhin der vermissten Herde nach.
Sie schickte Bächlein fort, stellte die Schale zur Seite, und erst dann fiel ihr auf, wie still es draußen auf dem Hof geworden war. Einen Atemzug später spürte sie, dass die Anspannung in Bernardhof schmerzhaft zunahm.
Sie wappnete sich gegen ihre Wahrnehmungen und eilte aus der Küche. Dabei versuchte sie, ruhig zu atmen, und redete sich Entschlossenheit und Mut ein. Die Menschen standen dicht gedrängt um die Mitte des Hofes. Abgesehen von leisem Geraune und besorgtem Flüstern schwiegen sie.
»Kord«, murmelte Isana. Die Leute traten beiseite, um ihr eine Gasse frei zu machen, bis sie sehen konnte, was vor sich ging.
Zwei Männer standen einander gegenüber, und die Luft zwischen ihnen summte fast vor Spannung. Kord hatte die Arme vor der Brust verschränkt, der Boden zu seinen Füßen zitterte und bebte. Sein schmieriger Bart umrahmte sein Grinsen, und unter den Brauen funkelten die Augen.
Ihm gegenüber stand Wehrhöfer Warner, ein großer, dünner Mann mit langen Armen und Beinen und einem glänzenden Schädel, der nur von einigen Fransen grauen Haars gekränzt
wurde. Warners schmales, scharf geschnittenes Gesicht war vor Wut gerötet, und die Luft um ihn herum flimmerte und tanzte wie die Hitze über einem Ofen.
»Ich sage doch schließlich nur«, meinte Kord mit seiner breiten Aussprache, »dass deine kleine Göre eben ihre Beine nicht zusammenhalten kann. Wenn sie jeden an sich ranlässt, ist das dein Problem, mein Freund. Nicht meins.«
»Halt’s Maul«, herrschte Warner ihn an.
»Sonst?«, fragte Kord höhnisch. »Was machst du sonst, Warner? Läufst du weg und hältst dich am Rockzipfel einer Frau fest, bis Graem kommt und dich rettet?«
»Du verfluchter...«, spie Warner aus. Er trat einen Schritt vor, und die Luft im Hof wurde deutlich wärmer.
Kord grinste und zeigte die Zähne. »Na los doch, Warner. Fordere doch ein Juris Macto . Regeln wir diese Angelegenheit wie Männer. Es sei denn, du möchtest deine kleine Hure unbedingt demütigen, indem du sie vor allen Wehrhöfern des Calderon-Tales aussagen lässt, wie sie meinen Jungen verführt hat.«
Einer von Warners Söhnen, ein großer, schlanker Mann, der das Haar auf Legionsart kurzgeschoren trug, trat auf seinen Vater zu und packte ihn am Arm. »Vater, nicht«, sagte er. »In einem ehrlichen Kampf kannst du ihn nicht besiegen.« Die anderen beiden bezogen hinter Warner Stellung, so wie es auch Kords Jungen taten.
Warners Tochter eilte dazu. Heddys feines Haar wellte sich in der heißen Luft um ihren Vater. Sie blickte sich um, und ihr Gesicht rötete sich vor Verlegenheit. »Vater«, drängte sie. »Nicht auf diese Weise. Das ist nicht unsere Art.«
Kord schnaubte. »Bittan«, sagte er und sah sich zu seinem Sohn um. »Du hast deinen Docht in dieses magere Flittchen gesteckt? Da hättest du dir lieber eins von Warners Schafen suchen sollen.«
Isana ballte die Fäuste und wappnete sich gegen diese Flut von
Gefühlen. Von Heddys panischer Angst und Demütigung über Warners Wut bis hin zu Kords hinterhältiger Befriedigung drang alles auf sie ein, und zwar zu intensiv, um es zu ignorieren. Sie holte tief Luft und verscheuchte die Gefühle. Kords Erdelementar war ein bösartiges Biest und zum Töten abgerichtet. Kord benutzte ihn zur Jagd oder wenn er Vieh schlachtete. Jeder Elementar übernahm früher oder später Eigenschaften von demjenigen, mit dem er verbunden war, doch selbst wenn man Kord mit einbezog, war der Erdelementar ein übler Genosse. Ein Raubtier.
Isana ließ den Blick durch den Hof schweifen. Die Bewohner von Bernardhof hielten sich auf Abstand. Niemand wollte sich in den Streit hineinziehen lassen. Die Krähen sollten ihren Bruder holen! Wo steckte der Kerl, wenn man ihn brauchte?
Der Schwall intensiven Zorns von Warner wurde noch heftiger - nicht mehr lange, dann würde er sich von Kord provozieren lassen und einem Juris Macto , der legalen Form des Duells im Reich, zustimmen. Kord würde ihn töten, aber Warner war zu wütend darüber, wie seine Tochter behandelt wurde, um das zu begreifen. Auch Warners Söhne strahlten immer stärkeren Zorn aus,
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