Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
hat!«
Tsimmis Augen leuchteten vor Erregung. Er nahm den Ring aus der Hand des Ritters und verschloss ihn fest in seiner Faust.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Loth zurück!«, rief er. »Hiermit müssen wir beweisen, dass die Elfen unschuldig sind und es sich bei dem Ganzen um einen simplen verbrecherischen Raub handelt! Und dann wird König Pellehun Gerechtigkeit walten lassen und Ordnung in dieser Gesellschaft von Dieben und Mördern schaffen müssen. Noch kann der Frieden gerettet werden!«
In diesem Augenblick stöhnte Lliane laut auf, und die drei Kameraden bemerkten, dass sie zu Boden gesunken war, völlig erschöpft und beinah bewusstlos.
Tsimmi stieß Uther mit dem Ellbogen in den Schenkel. »Nun, so hilf ihr doch«, sagte er vorwurfsvoll.
Der junge Mann öffnete den Mund zu einer Antwort, aber wie so oft wusste er nichts zu entgegnen und begnügte sich mit einem Achselzucken, während der Zwerg und der Barbar dümmlich kicherten.
Mit zwei Schritten war er neben Lliane, kniete sich hin und hob sanft ihren Kopf an. Er strich die schweißverklebten schwarzen Haare zur Seite und betrachtet lange das friedliche Gesicht der Elfe, so schön und zerbrechlich wie Glas. Wie war es möglich, dass Kräfte von solcher Wildheit in ihr schlummerten, so bestialisch und unmenschlich? Alle Elfen, die der Recke bislang kennen gelernt hatte, waren sanft und friedlich, ruhig bis an die Grenze der Apathie und wirkten völlig weitabgewandt. Gewiss, manch alter Soldat, der den Zehnjährigen Krieg mitgemacht hatte, erzählte von der Grausamkeit der El fen und den Wundern, die ihre Magier zustande brachten, ihren schrecklichen bösen Zaubern und ihrem Vampirblick, aber Uther hatte ihnen nie Glauben geschenkt. Alte Soldaten schneiden immer auf, das kannte man ja.
Aber jetzt hatte auch er das andere Gesicht der Elfen erblickt. All diese Nachtschatten, Wichtel, Leprechauns, Irrwische und schwarzen Dämmerungsgeister, die die Zwerge Kor- rigans nannten, all diese Sagengestalten, die man für die Kinder erfand, erschienen ihm plötzlich in einem ganz neuen Licht, beängstigend und faszinierend zugleich. War Lliane, die Magierin, ein wenig von alledem, Fee und Ungeheuer, Furcht erregend und liebenswert? Waren die Elfen vielleicht alle so?
Lliane kam wieder zu sich, und ihre hellen, grünen Augen blickten ihn voller Zärtlichkeit an. Das arme Menschenwesen im Bann der Feen, verzaubert und ein für alle Mal an sie verloren ...
»Wie du mich ansiehst ...«, murmelte sie.
Uther sagte nichts, aber sein Herz schlug heftig. Es stimmte, er starrte sie völlig hingerissen an, gefangen in einem Tumult der Gefühle, in dem sich Liebe, Furcht, Begehren, Unbehagen und Faszination unentwirrbar vermischten.
Sie lächelte ihm zu.
»So liebst du mich also?«, fragte sie.
»Ja ...«
Sie legte ihre Wange auf die Hand des Ritters und streichelte seinen Arm.
»Du wirst es mir beibringen müssen ...«
Uther nickte, und der Kloß, der ihm im Hals gesteckt hatte, löste sich. Llianes Wange auf seiner Hand, Llianes neben ihm ausgestreckter Körper, die Augen Llianes, ihre Lippen, ihre Schönheit, ihre Kraft ... Hatte sie ihm da nicht soeben ihre Liebe gestanden? Nein, nicht wirklich, aber trotzdem ... Man sagte, die Elfen wüssten nicht, was Liebe sei. Sie ähnelten zu sehr den Tieren, um wirkliche Gefühle empfinden zu können. War es denn dann überhaupt möglich, dass eine Elfe einen Menschen liebte? Dass die Königin der Hohen Elfen einen Rit ter liebte? Mit einem Mal fühlte er Riesenkräfte in sich aufsteigen und brannte auf Taten.
»Hinaus jetzt!«, rief er den anderen zu. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!«
Und während seine Kameraden die Erdstufen hochsprangen, half er Lliane aufzustehen und erzählte ihr, während er sie bei den ersten Schritten stützte, von Gaels Ring.
Tsimmi und der Barbar verspürten den gleichen Energieüberschwang. Sie erklommen die Treppen beinahe im Laufschritt, bis hin zu den vordersten Sälen, wo Frehir sich von neuem ducken musste, was dem Zwerg ermöglichte, ihn zu überholen und, so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen, als Erster wieder an die frische Luft zu gelangen.
Er sprang ins Freie hinaus, ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen, das auf der Stelle wieder erstarb.
In der Mitte der Lichtung wartete ein kleiner Trupp bewaffneter Elfen und palaverte mit den Alten. Einer der Greise streckte den Finger in seine Richtung aus, und alle drehten sich zu ihm um und zuckten
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