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Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung

Titel: Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Louis Fetjaine
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recht, was er darauf antworten sollte.
    »Stimmt’s?«, bohrte Gorlois nach.
    »Ja, Sire.« 
    »Na also!«, fuhr der alte Mann fort. »Ich verurteile euch also hiermit zu zehn weiteren Jahren wegen Zerstörung eines Schmuckstücks! ... Und dafür, dass ihr ohne Erlaubnis des Königs lesen gelernt habt. Es ist verboten, anderer Leute Post zu lesen, hat euch das keiner beigebracht?«
    Er knüllte ihren Pergamentfetzen zusammen, ließ ihn auf die Erde fallen und schritt, ohne sich umzudrehen, hinaus. Hinter ihm drückte der Soldat die schwere Holztür langsam wieder zu, und ein Schauer überlief ihn, als er den Ausdruck von Schrecken und Verzweiflung auf den Gesichtern der beiden Gefangenen wahrnahm. Er drehte den Schlüssel zweimal um, hängte den Bund dann an einen in die Wand eingelassenen Ring und stieg schwerfällig die Steintreppe hinab, die in den Wachsaal führte. Angewidert starrte er in den Korridor, in dem Gorlois bereits ins Innere des Palastes verschwunden war, und spuckte dann in seine Richtung auf den Boden.
    Es wurde schon dunkel, als Till endlich aufzustehen vermochte. Er war rasch wieder zu Bewusstsein gekommen, aber die Königin hatte ihn gezwungen, still liegen zu bleiben, und ihm befohlen, den dicken, würzigen Rauch tief einzuatmen, der von einem kleinen Feuerchen aus Reisig und Torf aufstieg, das in der Mitte ihres Verstecks brannte. Till hatte die meisten Heilpflanzen wiedererkannt, die rings um die Feuerstelle lagen, und die langsamen Gesten, die die Königin in die Rauchsäule zeichnete, weckten uralte Erinnerungen in ihm. Als sein Blick wieder klarer wurde, entdeckte er Uther, der auf einem Bett aus Moos lag.
    Der Ritter, noch immer bewusstlos, trug keinen Überwurf und kein Kettenhemd mehr, nur noch seine Beinlinge und die Oberschenkelhosen. Sein Schwert und seine Rüstung lagen in einer Ecke und glänzten schwach im flackernden Schein des Feuers. Sein Oberkörper, seine Arme und sein Gesicht, die noch immer grau waren, aber weniger verschwollen, waren mit Runen bedeckt, die die Königin mit Asche aufgemalt hatte. Auf ihre eigenen Finger und ihre Handkanten hatte sie die Meisterrunen der Heilung gezeichnet, os, ear, ac, tir, die folgendes, hundertmal wiederholtes Bild ergaben:

    Die Königin beugte sich über Uther und wand den Oberkörper wie eine Schlange, wobei sie das alte Runengedicht psal- modierte:

    Byth ordfruma aelcre spraece,
    Wisdomes wrathu ond witena frofur, 
    ans eorla gehwam eadnys ond tohiht.

    Byth egle eorla gehwylcun,
    Thonne faestlice flaesc onginneth,
    Hraw colian, hrusan ceosan 
    Blae to gebeddan; bleda gedreosath,
    Wynna gewitath, wera geswicath.

    Byth on eorthan elda beamum,
    Flaesces fodor, fereth gelome 
    Ofer ganotes baeth; garseeg fandath 
    Hwaether ac haebbe aethele treowe.

    Byth taena sum, healdeth trywa wel 
    With aethelingas, a bith on faerylde,
    Ofer nitha genipu, naefre swiceth.

    Was man allgemein verständlich etwa folgendermaßen übersetzen könnte:
     
    Der Mund ist die Quelle aller Worte,
    Sitz der Weisheit und des Weisen Trost,
    Ruhe und Hoffnung dem Edlen.

    Die Asche schreckt den Edlen,
    wenn plötzlich das Fleisch erkaltet
    Und der Leib die Erde zum tristen Gemahl wählen muss.
    Die schönen Früchte faulen, die Freude schwindet, der
    Bund scheitert.

    Die Eiche ist auf dieser Erde den Menschen nützlich, 
    wie die Rüben den Schweinen, so nährt sie ihn. Die speer- 
    spitzen Wellen des Meers 
    beugen sich der Hoheit des Eichenholzes.

    Tir ist eine besondere Rune.
    Dem Prinzen bewahrt sie die Treue,
    Siegreich allezeit gegen die Finsternis der Nacht, 
    wird sie niemals fehlen.

    Bei dem monotonen Singsang unter dem Pflanzendach in der Stille der Nacht, die nur vom Knistern des Feuers durchbrochen wurde, sank Till in eine hypnotische Lethargie, in der er von seltsamen Träumen heimgesucht wurde. Von Zeit zu Zeit tauchte er aus dem tiefen Nebel, in dem er versackte, dem bodenlosen, dunklen und eisigen Brunnen auf und war kurzzeitig ganz klar bei Sinnen, so dass er sogar mit seinem Hund und seinem Falken sprechen konnte. Gekläff, Gezirp, Ge- knurr ... Selbst die Königin vermochte kein Wort zu verstehen.
    Als er endlich aufstehen konnte, näherte er sich sofort Lliane. Er nahm ihre beiden Hände und neigte den Kopf.
    »Meine Königin, danke ...«
    Die Elfe hob das Haupt und lächelte ihm zu. In der finsteren Nacht verbreitete das kleine Feuerchen aus Reisig und Heilpflanzen so wenig Licht, dass ein Mensch unter ihrem Blätterdach nichts

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