Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
nicht. Im Licht des Reisigfeuers leuchteten ihre Augen in der silbernen Bläue ihres Gesichts wie Gold. Und ihr Blick ruhte auf Uther.
Rassul war geradewegs und ohne nachzudenken losgelaufen. Mit seinen ausladenden Schritten, die ihn so schnell trugen wie ein galoppierendes Pferd. Und so unvermittelt, dass nur Assan, sein Lehnself, sein Verschwinden bemerkt hatte.
Lame und die freien Pferde waren mit hängenden Köpfen in Llandons Lager aufgetaucht, in schwerfälligem Trott und gebeugt vom Gewicht der schlechten Nachrichten, die sie zu überbringen hatten. Der weiße Hengst, den der König so liebte, schämte und fürchtete sich und brauchte lange, ihnen allen vom Tod des Pagen Llewelin zu berichten, vom Scheitern des Trupps in Kab-Bag und von ihrer Einschiffung in die Sümpfe, auf schlechten Flößen und nur von den Packpferden begleitet, denen jeglicher Charakter und Mut abging ...
Niemand hatte eine Frage gestellt. Llandons einzige Worte dienten dazu, Lame und seine Genossen zu trösten, aber Rassul hatte das Gefühl, das Gewicht dieses Schweigens laste auf seinen Schultern. Wenn Königin Lliane ihren Weg in die Sümpfe und darüber hinaus fortgesetzt hatte, hieß das, sie befand sich auf der Spur Gaels und war so überzeugt von seiner Schuld, dass sie eine derart gefährliche Überfahrt wagte ... Llandon hatte nichts gesagt, aber Gaels verlorene Ehre lastete auf allen Grauen Elfen, und ganz besonders auf ihm, ihrem König. Armer König ohne Königreich und ohne Macht, verspottet von diesen lächerlichen Zwergen mit ihrem Sarkasmus und ihrer Herablassung, die nach Gerechtigkeit schrien und dabei ihre Scharfrichterbeile schwenkten, von denen noch das Blut seines Volks tropfte! Und wenn sie Gael fänden, müsste man ihn dann den Zwergen ausliefern und sie um Gnade anflehen? Und wenn sie ihn nicht fänden? Und wenn Lliane zu Tode käme?
Rassul rannte noch immer, kümmerte sich nicht um die Zweige, die sein Gesicht peitschten, noch um die ersten fallenden winterlichen Schneeflocken. Er lief und weinte, aus Scham und Wut, und die Tränen froren auf seinem eiskalten Gesicht fest. Er lief bis zum Seeufer, bis das dunkle Wasser und das Schilf ihm Einhalt geboten. Und dann ließ er sich wie ein Erschlagener in das eisige Wasser fallen und gab sich jener absoluten Verzweiflung hin, von der die Elfen sich so oft bis zur Selbstzerstörung übermannen ließen.
Als Assan ihn endlich einholte, kroch der König der Grauen Elfen im Uferschlamm umher, gab erstickte Schluchzer von sich und stieß lang gezogene, herzzerreißende Schmerzens- laute aus. Er watete auf ihn zu, packte ihn unter den Achseln und zog ihn sachte aufs feste Land zurück, wo Rassul sich in seinen Armen vergrub, bis die Tränen versiegten.
Und so fiel die Nacht über die beiden Elfen, die einander in den Armen hielten, schneebedeckt und frostglänzend wie ein einziger von den Fluten des Sees umspülter Fels.
Ein Nebeltag
Die dunkle Klage der Ziegenmelker, jener Nachtraubvö- gel, die nicht größer sind als eine Hand und deren Gefieder aussieht wie Rinde, verebbte erst mit Tages-
anbruch, und Tsimmi bemerkte, dass er kaum geschlafen hat- te. Im trüben Licht der Morgendämmerung lagen die Sümpfe in tiefer Stille. Nichts regte sich. Wie versteinert ruhten sie zwi- schen Himmel und Wasser, eingehüllt in einen einzigen fahlen, milchigen Nebel.
Der Zwerg betrachtete die in ihre Decken gerollten Körper seiner Gefährten. Frehir war nicht da. Er war hinüber zu der Weide mit ihren sonderbar gebogenen, eine natürliche Laubhütte formenden Asten gegangen. Die Elfenkönigin verfügte tatsächlich über höchst eigentümliche Kräfte ...
Mit der Stiefelspitze versetzte er Miolnir einen Tritt und der wachte grunzend auf.
»Bei meinem Bart!«, stieß er hervor, während er sich aufsetzte und sich bedrückt umsah. »Ich habe geträumt, ich wäre zu Hause in den Bergen und läge auf meinem fellbezogenen Bett! ... Was für ein Land!«
Tsimmi nickte zustimmend. Die Sümpfe boten so ungefähr alles, was ein Zwerg hassen musste: Nässe, wilde Natur und so gut wie kein festes Land, auf das man seinen Fuß setzen konnte. Eine in jeder Hinsicht verabscheuungswürdige Gegend.
Er kam auf seine kurzen Beine zu stehen, rieb sich ausdauernd den Rücken und begann, seinen Bart mit Hilfe eines Zweigs zu kämmen (man hebt diesen Punkt selten hervor, aber den Zwergen ist ihre Erscheinung sehr wichtig]. Dann putzte er sich mit demselben Zweig auch die Zähne, spülte sich
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