Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
Ginster verhängten die Wände, Birkenwurzeln, die freigeschaufelt waren, dienten als Borde oder Bänke, und kunstvoll beschnittene Blättergirlanden hingen überall von der Decke. All das verströmte einen Duft nach frisch geschnittenem Gras und Humus. Rechter Hand befand sich ein in diesem pflanzlichen Ambiente unerwarteter Waffenständer, der eine Unzahl von Waffen enthielt, auch Zwergenäxte und die mit Widerhaken bewehrten Lanzen der Dämonen. Eine echte Waffenkammer ...
»Da, schaut!«, sagte Tsimmi.
Uther kniff die Augen zusammen (der Zwerg, an seine unterirdischen Stollen gewöhnt, sah in der Dunkelheit besser als er). An der Rückwand der Behausung, gegen die ginsterbehängte Wand gelehnt und von knieenden stummen alten Weiblein umringt, war ein Elf in menschlicher Kleidung zu sehen. Samt, Stickereien, ein kurzes Schwert an der Seite und einen großen Dolch am Gürtel. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, und sein langes schwarzes Haar hing wie ein Vorhang vor seinem Gesicht. Regungslos, mit hängenden Armen und in schlaffer Haltung, wirkte die Erscheinung in dieser Höhle seltsam unpassend.
Uther blickte fragend die Königin an, und die nickte.
Es war Gael.
Lliane trat langsam näher, sagte einige Worte zu den alten Elfen, die neben ihm knieten, und hob dann vorsichtig den Kopf dessen an, den sie seit Tagen gesucht hatten. Sogleich schreckte sie wieder zurück und hielt den Gefährten ihre blutverschmierte Hand hin.
»Herr im Himmel!«, flüsterte Uther.
Ein Axthieb von bestialischer Gewalt, dessen Spuren vom Halsansatz bis in die Mitte des Brustkorbs reichten, hatte den Elf halb enthauptet. Das Samtwams hatte das Blut aufgesogen, das Gesicht war unversehrt und in einer Schreckensgrimasse erstarrt, die Augen glasig, die Lippen hochgezogen. Ein Becher, der neben seiner Hand über die Erde gerollt war, war ausgelaufen, und der dunkle Fleck war bereits in der festgestampften Erde versickert.
»Rogor«, murmelte Tsimmi mit verzweifelter Stimme.
Er hob die Augen zu seinen Gefährten, aber Uther wich seinem Blick aus. Natürlich, Rogor ... Wer anders als der Thronfolger unter dem Schwarzen Berg hätte seinen Rachedurst mit so viel Wut stillen können?
Frehir wandte den Blick nicht ab, aber seine Miene verriet dem Meister der Steine, dass auch er nicht den geringsten Zweifel an der Identität des Mörders hegte.
»Ein Axthieb«, antwortete der Barbar auf den stumm flehenden Blick Tsimmis. »Nur die Zwerge benutzen Äxte ...« Wieder herrschte Schweigen in der unterirdischen Kammer, in der Gael den Tod gefunden hatte. Dann ertönte die dünne und zögerliche Stimme eines Wesens, das die gemeinsame Sprache nur schlecht beherrschte.
»Kein Zwerg ...«
Die Königin und ihre Gefährten fuhren alle zugleich herum und blickten auf die alte Elfe, die da gesprochen hatte. Sie presste sich gegen die von einem Korbgeflecht bedeckte Rückwand und schüttelte mit scheuem Blick den Kopf.
»Nicht von einem Zwerg getötet ...«
Die Wangen vom Dornengebüsch zerkratzt, den Bart voller festgehakter Reiser, rannte Prinz Rogor schwer atmend geradeaus und hielt dabei seine riesige Axt in den Händen, von deren Schneide das Blut troff. Elfenblut von all den Elfen, die sich ihm in den Weg gestellt hatten. Ein Pfeil hatte ihm die Hüfte durchbohrt, aber seine Wut war stärker als seine Schmerzen. Der bleiche Elf, der ihn abgeschossen hatte, lag jetzt tot im Schlamm, mit gespaltenem Schädel, seine Gehirnmasse um ihn herum verstreut. Auch andere Bogenschützen hatten auf den Zwergenfürsten geschossen, und sie hätten schwören können, ihn getroffen zu haben. Nur hatten ihre Pfeile Rogors Rüstung nicht durchschlagen, und die scheinbare Unverletzlichkeit ihres uralten Feindes, des Zwerges mit den wahnsinnigen Augen, der behaart war wie ein wildes Tier und bewaffnet mit seiner furchtbaren Axt, erfüllte sie mit Schrecken.
Außer Atem und mit brennender Lunge, stützte Rogor sich an einer Ulme ab, lehnte sich dann gegen den Stamm und hielt seine Axt vor sich, mehr wie einen Schutzschild als wie eine Waffe. In diesem Augenblick war der Zwerg am Ende seiner Kräfte und bereit, aus dem Leben zu scheiden. Und was hätte er auch anderes wünschen sollen? Er hatte versagt. Es war ihm nicht gelungen, Gael zu töten, ja er hatte nicht einmal vermocht, in seine Nähe zu kommen. Niemals würde er das Schwert von Nudd wiederfinden. Miolnir war durch seine Schuld gestorben, in diesem ekelhaften Schlammloch und mit Pfeilen
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