Die Elfen 03 - Die Stunde der Elfen
oder weniger.«
Biaise musste an sich halten, um nicht aufzuschreien, den König an der Gurgel zu packen und ihn aus dieser furchtbaren Lethargie zu reißen. Weniger als hundert Mann von mehreren Tausend, die hinter dem Konnetabel Léo de Grand in die Schlacht gezogen waren.
»Das kann doch nicht sein«, sagte er leise.
»Weniger als hundert, und einige liegen im Sterben«, wiederholte Uther.
Immer noch diese entrückte Stimme und die geöffneten Augen, die seelenruhig das schreckliche Schauspiel einer noch nie da gewesenen Niederlage in der Ferne, weit außerhalb dieses Raumes betrachteten.
»Seht Ihr sie gegenwärtig?«
»Da sind sie, schau ... Sie haben Angst, sie verstecken sich, haben ihre Waffen verloren. Doch das Feuer erlischt. Der Wald war vermutlich zu nass ... «
»Welcher Wald?«
Uther antwortete nicht. Bruder Biaise reckte den Hals ein Stück weiter und sah, wie die Lider des Königs allmählich herabsanken und der König erneut in tiefen Schlaf fiel.
»Welcher Wald, Sire?«, fragte er noch einmal, in drängenderem Ton, wobei er es sogar wagte, ihn an der Schulter zu rütteln.
»Es steht nichts mehr zu befürchten«, murmelte Uther. »Die Dämonen haben die Flucht ergriffen und werden heute Nacht nicht mehr wiederkommen. Und wir haben den heiligen Wald gerettet. Dagda hätte es nicht zugelassen ...«
Der Mönch schlug das Kreuz und zog sich unwillkürlich von der königlichen Bettstatt zurück, als fürchte er, sich daran zu verbrennen. Dagda war der Gottdruide, den die Elfen auch Eochu oder Elochaid Ollathair nannten Allvater oder Ruad Rofessa Roter Mann mit vollkommenem Wissen; er war Kriegsgott und Eigentümer des Kessels, den er ihnen als Talisman anvertraut hatte. Bei dem heiligen Wald, von dem Uther gesprochen hatte, konnte es sich also nur um Eliande handeln, der in seinem Herzen den Hain aus den sieben Bäumen barg und den Kessel des Wissens ... Eliande, das Land der Elfen ... Das Land Llianes.
Bruder Blaise setzte sich, stellte die Kerze ab und stützte den Kopf in die Hände, vom Schwindel ergriffen angesichts dessen, was sich da verschwommen vor seinem inneren Auge abzeichnete, während sich sein fieberndes Hirn immer weiter in Mutmaßungen verlor. Der König war erneut besessen vom Geist der Elfe, seiner Seele beraubt, und sein Körper leichenstarr wie eine leere Hülse. Die Armee war besiegt. Die Dämonen waren vor Broceliande angelangt. Dies konnte nur eines bedeuten: Das gesamte Herzogtum von Sorgalles war in feindlicher Hand. Was war inzwischen aus der Herzogin Helled geworden? Und die Armee, was war von ihr noch übrig? Wie viele Truppen könnte man noch ausheben, um Loth zu verteidigen, und wer übernähme ihre Führung, wenn der König nicht wieder zu sich kam? Wie lange würde es dauern, bis die Horden des Unnennbaren bis zu ihnen vordrangen? Und wann wäre der Tag gekommen, da die Truppen des Satans den Odem Gottes auf immer aus diesem irdischen Jammertal vertreiben würden?
Der Mönch hob den Kopf und stierte mit entsetzter Miene auf Uthers unbewegtes Profil. Welcher Bann, der stärker war als all seine Gebete und die ganze Medizin der Ärzte, hielt ihn bloß in diesem fürchterlichen Trancezustand gefangen, während sein Reich um ihn herum zusammenbrach? Wieder einmal kam ihm Illtud in den Sinn und das war weiß Gott nicht das erste Mal. Der Abt, ja der wüsste ihn von seinem bösen Zauber zu erlösen ... Von einer plötzlichen Eingebung gepackt, näherte er sich dem königlichen Lager und wisperte Uther mit pochendem Herzen die Beschwörungsformel aus der Heiligen Schrift ins Ohr.
»Du stummer und tauber Geist, ich befehle dir, fahre aus von ihm, und kehre nie mehr in ihn zurück!«
Noch im selben Moment stöhnte Uther heiser, während sein Körper sich jäh unter heftigen Krämpfen aufbäumte. Der Mönch wich so rasch zurück, dass er zu Boden stürzte und dabei ein Lesepult umriss, dessen Aufprall wie ein Donnerschlag durch die Nacht hallte.
»Was ist los?«, stammelte Igraine im Erwachen.
Beim Anblick von Uthers im Krampf erstarrtem Körper entfuhr ihr ein Schreckensschrei. Blaise sah mit schweißglänzendem Gesicht und irrem Blick zu der Königin auf, in den Händen das von dem Pult herabgefallene Buch, das ihm wie vom Himmel gesandt erschien. Es war ein bescheidenes, in billiges Leder gebundenes Brevier, eine ungelenke Abschrift des >Enchiridion<, der hochheiligen Sammlung von Anrufungen, die angeblich der Papst Leo III. für Karl den Großen verfasst
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