Die Elfen 03 - Die Stunde der Elfen
werde verschwinden, liebe Königin, und zwar schneller, als du denkst«, sagte Merlin lächelnd. »In einigen Stunden werde ich die Burg verlassen haben, und du wirst mich dort nie wieder sehen.«
»Welch ein Segen!«
»Komm, setz dich neben mich ...«
Sie blickte ihn hasserfüllt an, und Merlin stieß einen matten Seufzer aus.
»Wie du willst«, meinte er. »Und doch muss ich dich sprechen ...«
Die Königin stand aufrecht und stolz vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, mit einer überheblichen Miene, die eine Beleidigung gewesen wäre, wenn die hochmütig gespitzten Lippen weniger hübsch gewesen wären und Igraine weniger jung. Ungeachtet der Anstrengungen, die sie unternahm, sich standesgemäß zu geben, war sie ein blutjunges Mädchen, dessen Züge selbst der Zorn nicht zu verhärten vermochte. Ihr blondes, geflochtenes und über den Ohren aufgerolltes Haar hatte ihrem wilden Lauf nicht standgehalten, und lange Strähnen hatten sich gelöst, was er hinreißend fand. Uther war nicht nur der Geliebte der zwei Königinnen, sondern auch der beiden schönsten Geschöpfe, die ihm je zu Gesicht gekommen waren. Lliane war wohl die noch Schönere, mit dieser sinnlichen Anmut, dieser animalischen Schamlosigkeit, für die sämtliche Heiligen ihr Seelenheil aufs Spiel gesetzt hätten; doch Igraine wirkte weniger unnahbar, zerbrechlicher und weckte die Lust, sie gerade dafür zu lieben. Die Aufregung hatte ihr die Röte ins Gesicht getrieben, und sie zitterte. Merlin war zutiefst bekümmert, sie so zu sehen. Artus war nicht nur Uthers Sohn. Er hatte auch eine Mutter, die jüngste und sanfteste aller Mütter, der er ihn entreißen müsste ... Und wenn man bedachte, dass sie ihn jetzt schon zu hassen schien, noch bevor er überhaupt einen Ton gesagt hatte!
»Nun?«, herrschte sie ihn barsch an. »Ich warte!«
»Merlin ist gekommen, um Artus in seine Obhut zu nehmen«, ertönte die Stimme Uthers hinter ihnen.
Wie auf Kommando drehten sie sich beide nach dem König um, der auf seinem Bett saß, sich am Kopf kratzte und aussah, als habe er sich soeben mit einer Meute Hunde gebalgt.
»Was sagst du da?«
»Ich bin nicht dazu gekommen, mit dir zu sprechen«, murmelte er. »Verzeih mir ... «
Sie flüchtete sich in seine Arme, und er hielt sie ganz fest, die Augen geschlossen, während er den süßen Duft ihres Haars einsog.
»Ich werde fortgehen«, sagte er ganz leise. »Die Armee ist bereit, und es wäre gefährlich, noch länger zu warten. Doch es wird niemand mehr in Loth Zurückbleiben, der dich und Artus verteidigen könnte. Ich möchte, dass du zu deinem Bruder fährst... Léo de Grand ist nicht in der Lage, die Schlacht zu leiten, daher werde ich die Truppen anführen. Er wird dich mitnehmen nach Carmelide, in eure Burg von Carohaise.«
»Und Artus?«, hauchte sie.
Uther schlug die Augen auf, und er begegnete Merlins Blick. Konnte sie spüren, wie sein Herz raste? Sah sie die Schweißperlen auf seiner Stirn?
»Es wäre zu riskant, euch zusammen reisen zu lassen ... Antor und Merlin werden auf ihn Acht geben. Sie werden später zu euch stoßen.«
Wieder kreuzten sich sein Blick und der des Kindmannes flüchtig, und es schien ihm, als nickte dieser beipflichtend. Doch beinahe im selben Moment machte sie sich von ihm los und starrte Merlin mit sichtlichem Abscheu an.
»Warum ihm?«, zischte sie. »Ausgerechnet ihm willst du deinen Sohn anvertrauen?«
»Du kennst Merlin nicht«, erwiderte er und versuchte, sie erneut an seine Schulter zu ziehen.
Doch sie wich jäh zurück, die Augen schimmernd vor Tränen.
»So hör mich doch an«, beharrte er. »Merlin ist allgemein angesehen und gefürchtet, von den Elfen ebenso wie von den Zwergen. Bei ihm ist Artus in Sicherheit, das schwöre ich dir!«
»Niemals!«
Igraine blickte sie beide herausfordernd an, dann rannte sie zu dem einzigen Fenster ihres Gemachs, und an ihren zucken den Schultern sahen sie, dass sie in Tränen aufgelöst war. Uther bedeutete Merlin mit einer Kopfbewegung, den Raum zu verlassen, und wartete, bis der j unge Druide die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann trat er zu ihr hin.
»Es kann sein, dass ich nicht zurückkehre, weißt du ... «
»Glaubst du, das ist mir nicht bewusst? Glaubst du, ich habe nicht erfahren, was von der Armee Léo de Grands noch übrig war? Glaubst du, ich habe ihre Belagerung nicht miterlebt, habe die Flammen nicht gesehen, ihr Gebrüll nicht gehört? Jede Nacht war ich bei Artus und Anna und
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