Die Elfen 03 - Die Stunde der Elfen
ging, wie gewohnt, Till zu Fuß, während sein Falke vorwegflog. Er war ein Spurensucher, der in der Lage war, stundenlang zu laufen, ohne Müdigkeit zu verspüren, lautlos wie ein Fuchs im Wald. Später, bei Anbruch der Dämmerung, würden sie sich vermutlich schneller voranbewegen, doch für den Moment ritten sie im Schritt, so langsam, dass Till, obgleich er kein Pferd hatte, bereits einen beträchtlichen Vorsprung besaß.
Lliane hielt sich wortlos neben ihrem Bruder Dorian und Kevin, dem Bogenschützen. Ringsum war alles ruhig, einzig die Rufe der Nachtvögel und die gleichmäßigen Schritte der Pferde im Schnee durchbrachen die Stille. Keiner von ihnen döste vor sich hin, doch die übermäßige Erregung beim Aufbruch war nach einigen Stunden einem allgemeinen Schweigen gewichen. Selbst Frehir war am Ende verstummt. Die Königin hatte die Zügel auf den Hals ihrer Stute Ilra hinuntergleiten lassen, und ihr entspannter Körper passte sich geschmeidig dem gleichmäßig wiegenden Gang ihres Reittieres an, während sie ihren Gedanken nachhing.
Den ganzen Tag über hatten sie auf der Kuppe einer Anhöhe im Schutz dichter, von der Last des Schnees gebeugter Sträucher gehockt und dem endlosen Auszug der Menschenarmee beigewohnt, die Loth in geordneter Formation verließ. Diese Bilder hatten sich ihr tief ins Gedächtnis eingegraben.
Das Ganze hatte bei Tagesanbruch begonnen, als eine Gruppe berittener Kundschafter im gestreckten Galopp aus dem Lager gefegt war in einem wüsten, ungeordneten Haufen. Dann hatten sich lange Trupps von Reisigen, Degenkämpfern, Bogenschützen, Pikenieren und einfachem, mit den abenteuerlichsten Gerätschaften bewaffnetem Fußvolk von überall her in Bewegung gesetzt, um ihnen zu folgen. Sie bewegten sich in geschlossenen Reihen, wobei sie Züge von Karren und ganze Rinderund Schafherden in ihrem Schutz mitführten. Inmitten dieser Menge sah man hin und wieder hohe Kreuze, die von Mönchen in düsteren Kutten gleich Standarten gehalten wurden, als hätten sie nicht schon genug davon auf ihre Waffenröcke und Schilde gemalt... Und schließlich kamen die Ritter, die von den Stadtmauern her bejubelt wurden von allem, was an Frauen, Kindern, Greisen und einer verschwindend kleinen Schar Versehrter Männer übrig war, die so wenige waren, dass selbst jene, die den Befehl erhalten hatten, in Loth zu bleiben, gleich ob Soldaten oder Diener, sich dessen schämten.
Die Morgendämmerung hatte nicht zu viel verheißen, und es schien noch immer eine strahlende Wintersonne vom Himmel, die ihre Helme und Kettenpanzer aufleuchten ließ. Man hätte das Ganze für einen Strom aus Silber halten können, der langsam und endlos unter einem Wald von Lanzen dahinfloss. Trotz der Entfernung spürten die Elfen die Erde unter den Hufen der Pferde dröhnen, gleich einer vibrierenden Trommel. Jedes Banner trug ein Feldzeichen mit seinen eigenen Farben, und all diese fröhlich flatternden Flaggen verliehen der Armee einen festlichen Anstrich. War es möglich, dass die Menschen den Krieg liebten, dass sie Freude oder Stolz dabei empfanden, sich zu schlagen? Lliane hätte gern mit Myrrdin darüber gesprochen, doch der junge Druide war mit Uthers Sohn fortgereist, und sie hatte es nicht gewagt, sich mit ihrer Frage an Ulfin zu wenden. Nun, da sie nach dem Schauspiel, das diese ganze Menge mit ihren im Sonnenlicht schillernden Waffen und Rüstungen geboten hatte, zu ihrem eigenen düsteren und geheimen Unterfangen aufgebrochen waren, war es zu spät.
Doch was spielte das im Übrigen schon für eine Rolle ... Ob sie sich nun unter Gesang oder mit Angst im Bauch auf den Weg machten der Augenblick der Wahrheit wäre doch für alle gleich, wenn das Wüten der Schlacht mit der Plötzlichkeit eines Unwetters auf hoher See über sie hereinbräche. Als Lliane sie so davonziehen sah, in dem Wissen, dass Uther sich unter ihnen befand, überkam sie erneut diese menschliche Regung, die sie auf der Lichtung der Elfen gepackt hatte. Uther, Myrrdin und sie schlugen drei getrennte Wege ein, und die Elfe fühlte sich trotz ihres Bruders, trotz Till, Kevin und der anderen alleine, als sollten sie sich nicht wieder sehen. Es wäre ein weiter Weg bis nach Kab-Bag ...
Plötzlich zerriss ein Schrei die nächtliche Stille, gefolgt von dem Geräusch eines Aufpralls, einer Fluchkanonade und plötzlichem Hufgetrappel. Instinktiv drehte sie sich um und hatte gerade noch die Zeit, ihr Gesicht zu schützen. Eine dunkle Gestalt galoppierte an
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