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Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Titel: Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Gedanken. Wann?
    Klappernd fielen die Knochen auf den gestampften Boden neben der Feuergrube. Ein mattes, honigfarbenes Leuchten ging von ihnen aus. Die Runen leuchteten in hellerem, fast weißem Licht. Freilich vermochten dies nur die Augen einer Blinden zu sehen. Die Sehenden hingegen waren blind für die verwickelten magischen Muster, die sich zwischen den Knochen spannten.
    Skanga erkannte auf den ersten Blick, dass die Knochen nichts Gutes verhießen. Sie ließ sich Zeit, die Abgründe des Orakels zu ergründen. Lange betrachtete sie die Muster, die sich aus den übereinanderliegenden Knochen geformt hatten. Mehrfach wechselte sie ihren Sitzplatz, um das Orakel aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Der Hasenschädel lag falsch herum. Die Stelle, an der die Wirbelsäule in den Schädel getreten war, starrte sie an wie ein dunkles Auge. Das war ein schlechtes Omen!
    Die Magie der Knochen erstrahlte in hellem Glanz. Sie sprachen voller Macht. Ein zweiter Wurf war nicht notwendig. Sie würde sterben, wenn sie Emerelle mit Gewalt zu sich bringen ließ.
    Skanga hatte keine Angst vor den Tod. An langen Wintertagen, wenn die Kälte sich in ihren Knochen eingenistet hatte wie unter den Dachtraufen, von denen eisige Zähne hingen, dann hatte der Gedanke ans Sterben etwas Verlockendes. Aber sie konnte nicht fort. Nicht jetzt schon. Ihr Volk brauchte sie, der junge König. Alles, was sie gewonnen hatten, wofür so unendlich viel Blut gezahlt worden war, würde vergehen, wenn sie nicht hinter dem Thron stand und wachte.
    Emerelle verhöhnte sie. Nichts anderes hatten diese Morde zu bedeuten. Sie maßte sich an, noch immer darüber zu entscheiden, was Recht und was Unrecht war. Sie hatte den Thron verloren, aber sie hatte nicht aufgehört, Königin zu sein. Wie gern hätte sie diese eingebildete, blutlüsterne Elfe in der Hand gehabt. Sie waren ihr so nah. Skanga konnte es deutlich spüren. Die Schamanin wusste nicht, welche ihrer Kopfgeldjäger die Königin aufgespürt hatten … Aber sie wusste, sie würde nur die Hand ausstrecken müssen, dann hätte sie Emerelle. Skanga wechselte noch einmal den Sitzplatz und betrachtete eingehend das Muster der Knochen. Ganz gleich, wie man es betrachtete, das Orakel sagte immer dasselbe. Sie, Skanga, würde sterben, wenn sie Emerelle vor sich bringen ließ. Wie das geschehen würde, war nicht zu erkennen. Sie dachte daran, was die Silberschüssel im Thronsaal ihr gezeigt hatte. Passte es zusammen? Log eines der Orakel?
    Das Schicksal war ungerecht! Skanga dachte an den Ratssaal. Daran, was Emerelle und Ollowain dort getan hatten. Und doch hielt man ihr Volk für grausam und die Elfen für feinsinnige Künstler. Es war müßig, daran etwas ändern zu wollen.
    Die Schamanin massierte ihre Stirn. Dicht über der Nasenwurzel. Sie musste klar denken. Ohne Zorn! Emerelle hatte ihr den Fehdehandschuh hingeworfen. Und sie würde ihn aufheben. Gharub war ein grausamer Willkürherrscher gewesen, umgeben von schlechten Beratern. Das hatte ihn das Leben gekostet. So etwas würde nicht wieder geschehen. Sie würden ein Gesetzbuch erschaffen. Einfach und klar! Zehn Seiten sollte es nur umfassen. Die Strafen würden hart sein. Blutstrafen, wo es angemessen war. Und alle würden vor diesem Gesetz gleich sein, ganz so, wie Elija und seine Rotmützen es forderten.
    Zehn Seiten, die jeder Troll, der herrschen wollte, kennen musste. Zehn Seiten konnte jeder erlernen. Skanga wusste, dass die gegenwärtigen Gesetze ganze Bücherzimmer füllten. Damit sollte Schluss sein. Das war überflüssig. Das alte Recht war wie Verstopfung. Es machte Schwafelköpfe reich und verschleierte alles.
    »Was sagt das Orakel?«, fragte Birga, die nicht länger an sich halten konnte. »Dass wir noch heute Nacht nach Burg Elfenlicht zurückkehren werden. Kümmere dich darum, dass alle Jäger, die wir nach den Mörder ausgeschickt haben, zurückgerufen werden!«
    »Aber wir können sie doch nicht laufen lassen!«
    »Glaubst du, dass es dir zusteht, mir zu sagen, was ich kann und was nicht?« »Nein, Herrin … Aber bitte, verrate mir, was haben die Knochen gesagt? Was ist so eilig zu tun?«
    »Wir müssen ein gutes Abführmittel ersinnen. Wir werden auf Tausende Bücher scheißen!«
    Skanga genoss es, das bunte Farbenspiel in Birgas Aura zu betrachten. Verwirrung und Zorn waren ihre stärksten Gefühle, daneben ein Hauch unterwürfiger Bewunderung und Stolz. Sie war ein seltsames Geschöpf. Nützlich, nicht ohne Begabung.

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