Die Elfen von New York
Tube blauer Haarfarbe ins Zimmer gestapft kam, schloß er sich im Bad ein.
»Hau ab«, schrie er durch die Tür. »Ich habe heute schon genug gelitten.«
»Wieso das denn?«
»Ich habe mir alle Songs von den ersten beiden Slayer-Alben gemerkt.«
»Das ist doch kein Grund zum Jammern. Mir haben die Songs sehr gut gefallen«, gab Heather zurück, entschlössen, nicht locker zu lassen und Dinnie so lange zuzusetzen, bis er sie hereinließ.
»Na, siehst du«, sagte sie hinterher. »Eine Superfarbe!«
Dinnie war entsetzt.
»Der reinste Horror! Bei unserer Abmachung war von blauen Pferdeschwänzen mit keinem Wort die Rede!«
»Ich habe gesagt, ich würde alle notwendigen Schritte einleiten! Ist doch nicht meine Schuld, wenn du dich ausgerechnet in ein Mädchen verliebst, das auf Hippiekleider, Psychokram und gefärbte Haare steht. Hättest du dich in eine Karrieretussi verguckt, würdest du jetzt in einem Anzug stecken. Aber egal, laß uns rausgehen und prüfen, wie du auf die Welt wirkst.«
Während sie die Treppe hinunterzogen, schwor Dinnie sich, falls Cal auftauchte und ihn auslachte, würde er ihm das Nächstbeste um die Ohren schlagen – am besten Heather.
Auf dem Weg zum Bioladen ignorierte Heather Dinnies übliches Gejammer über die vermaledeiten Luzerne und vegetarischen Burger und konzentrierte sich darauf, die Reaktionen aller jungen Frauen zu studieren, die ihnen begegneten. Hatten die beiden Punkmädchen da drüben an der Ecke Dinnie nicht einen interessierten Blick zugeworfen? Möglich.
Zwar hatte er immer noch Übergewicht, aber sein Doppelkinn war er schon fast los. Außerdem hielt er sich besser, und so glatt rasiert, wie er war, sah er Jahre jünger aus. Heather hatte ihm verboten, seine alten braunen Hosen anzuziehen. Für seinen schlabbrigen braunen Mantel hatte sie zwar noch keinen passenden Ersatz gefunden, aber insgesamt gesehen, war er schon eine viel attraktivere Erscheinung. Heather war zufrieden. Zumindest auf diesem Gebiet machte er Fortschritte.
»Haben Sie einen Nickel, Sir?« bettelte sie ein Penner an.
»Verpiß dich«, knurrte Dinnie.
Heather räusperte sich.
Dinnie ließ ein paar Münzen in die Büchse des Bettlers fallen.
»Sag selbst, sowas gibt einem doch gleich ein gutes Gefühl, oder?« meinte Heather, worauf Dinnie etwas Unverständliches in sich hineinbrummelte.
In Cornwall war es feucht und eklig kalt, aber die Feen in den Arbeitshäusern hatten sich warm eingepackt. Sie hatten zwar ihre Freiheit verloren, aber dank der neuen Webstühle war die Produktion enorm gestiegen, und es gab reichlich Tuch für Mäntel und Decken.
König Tala hatte eine Sitzung mit Magris und den Baronen einberufen. Haupttagesordnungspunkt waren die Außenhandelsbeziehungen des Feenreiches. Die französischen Feen jenseits des Kanals hatten ihr Interesse angemeldet, Talas Tuch zu importieren, und schon eine große Bestellung aufgegeben. Leider konnte dieser Auftrag nicht ausgeführt werden, da Aelric die Tuchfabrik in Brand gesteckt hatte. Die Sitzung wurde von einem Kundschafter des Königs unterbrochen, der die Nachricht von der Rückkehr der Söldner aus Amerika überbrachte.
Tala war wütend über die gescheiterte Mission. Plötzlich interessierte ihn seine Außenhandelsbilanz nicht mehr – neue Pläne, die Flüchtlinge einzufangen, mußten her.
Magris war verdrossen. Viel lieber hätte er dem König endlich seinen Plan für die Einteilung des Feenreiches in Verwaltungsbezirke unterbreitet, was seiner Meinung nach der nächste logische Schritt im Umstrukturierungsprozeß der Feengesellschaft war.
Aber Tala war nicht gewillt, ihm Gehör zu schenken, sondern forderte ihn auf, sofort eine Strategie für eine Großinvasion von New York auszuarbeiten. Wenn nötig, müsse er das ganze englische Feenheer über den Atlantik schicken.
»Sieh dir dieses aufrührerische Flugblatt an!« donnerte Tala. »Die Rebellen rufen Petal und Tulip als die rechtmäßigen Herrscher des Feenreiches von Cornwall aus! Stell dir vor, was passiert, wenn es den Rebellen gelingt, dieses Flugblatt zu verteilen. Solange Petal und Tulip am Leben sind, wird Aelric nicht aufhören, Unruhe zu stiften!«
Die Verkäuferin im Bioladen brauchte ewig, bis sie Dinnies Wechselgeld aus der Kasse gekramt hatte. Dinnie wollte schon meckern, fing aber Heathers warnenden Blick auf, lächelte statt dessen und wartete geduldig.
»Kennst du den?« fragte die Verkäuferin ihre Kollegin. »Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber
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