Die Elfen
Menschen zu beobachten. Und ich sah, wie sie sich an einem Albenstern sammelten, der nach Albenmark führte. Die Priester beteten dort und fragten ihren Gott, ob dieser Ort seinen Segen finde. Dann sprachen sie Worte, die ich nicht verstand. Es war gewiss der Zauberspruch. Ich merkte, wie etwas gegen den Albenstern schlug; gleichzeitig zogen die Krieger ihre Schwerter. Als dann aber nichts geschah, zogen sie fort. Ich habe mir die Spuren angesehen, die sie hinterlassen haben. Mit diesem Zauber wären sie niemals nach Albenmark gelangt. Die gleichen Spuren fand ich nach der Zerstörung von Valemas am Steinring. Die Priester können offenbar nur Tore in die Zerbrochene Welt öffnen.«
»Wieso haben sie die Bibliothek bisher verschont?«
»Oh, sie versuchen wohl schon seit einer Weile, hierher durchzudringen. Die Hüter des Wissens sagen, die Menschen seien verwirrt, weil in Iskendria so viele Albenpfade verlaufen. Außerdem hätten sie Schwierigkeiten, die Schutzzauber an den Toren zu durchbrechen. Doch Reilif meint, die Menschen rissen die Barrieren langsam nieder. Jeden Tag kommen sie weiter voran. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit, um das Wissen dieses Ortes aufzunehmen und zu verschwinden.«
»Bist du derjenige, der sich das Wissen so schnell aneignen kann?«
»Gewiss.«
»Was haben sie getan, um dich zu überreden?«
Der Dschinn zog eine verärgerte Miene. »Diese Kerle haben mich reingelegt. Sie haben mich schließlich dazu gebracht, meinen Namen zu nennen. Nun muss ich ihnen dienen. Diese Halunken sind einfach zu schlau für mich. Aber was soll's… Was hier geschieht, erinnert mich an die Dschinnenbibliothek. Offenbar ist es das Schicksal des großen Wissens, einfach zu vergehen.« Der Blick des Dschinns ging ins Leere. »Ich frage mich, wo das alles enden soll.«
Nuramon schüttelte den Kopf. »Wenn das Schicksal uns Albenkindern hold ist, dann werden die Krieger alles verbrennen, was sich in diesen Hallen befindet. Wenn es uns böse mitspielt, dann werden sie sich das Wissen erschließen… Sofern sie denn all die Sprachen lernen können.«
»Daran haben wir gedacht. In dem Augenblick, in dem die Menschen hier eindringen, werden wir einen Zauber wirken, der alles zerstört, was hier gehütet wird. Auch wir werden vergehen. Der Zauber ist bereits gewirkt. Wir müssen nur noch die letzten Worte sprechen. Und dann wird hier alles in einem gigantischen .« Der Dschinn brach ab und schaute zur Tür.
Nuramon folgte dem Blick des Geistes, und was er sah, überraschte ihn zutiefst. Ein kleines Elfenmädchen kam mit einem Stapel Bücher ins Zimmer. Es mochte etwa acht Jahre alt sein, gewiss nicht älter. Das Kind machte große Augen, als es ihn sah, und ließ vor Schreck die Bücher fallen.
Der Dschinn erhob sich. »Du brauchst dich nicht zu erschrecken, kleine Elfe. Dies ist Nuramon, ein Freund aus Albenmark.«
Das Mädchen blickte auf die Bücher hinab. Mit einem Ruck schwebten sie hoch und stapelten sich wieder auf ihren Händen. Nuramon war verblüfft. Für das Kind schien dieser Zauber nur eine Fingerübung zu sein. Sie trat näher und legte den Bücherstapel dann neben dem großen Bücherthron ab.
»Komm her! Begrüße unseren Gast!«, sagte der Dschinn.
Mit einem schüchternen Lächeln trat das Mädchen an die Seite des Dschinns und ließ sich von dem Geist durchs dunkelbraune Haar streichen.
»Wie ist dein Name?«, fragte Nuramon.
»Wie meinst du das?« Die Kleine sprach fast im selben Tonfall wie der Dschinn.
»Hast du keinen Namen?«, setzte Nuramon nach.
»Ach so! Kleine Elfe oder Elfenkind nennen sie mich.«
Nuramon verschlug es die Sprache. Der Dschinn hatte diesem Kind nicht einmal einen Namen gegeben!
»So, Elfenkind, bring diese Bücher wieder runter«, trug der Dschinn der Kleinen auf.
Sie zog eine unzufriedene Miene und machte sich daran, einige Bände vom Haufen der gelesenen Bücher zu holen. Sie lächelte Nuramon noch einmal zu und verließ dann den Saal.
Kaum waren ihre Schritte im Gang verklungen, da wandte sich Nuramon an den Dschinn. »Wie konntest du ihr keinen Namen geben?«
»Namen bringen nur Probleme. Das habe ich dir doch schon gesagt. Sie führen nur dazu, dass andere Macht über einen erlangen.«
Nuramon deutete zur Tür. »Das hält dich nicht davon ab, dieses Kind wie eine Dienerin herumzuschicken!«
»Ho! Du kennst die Kleine nicht. Die ist ein übler Quälgeist. Sie hat eben nur auf mich gehört, weil du hier bist. Die hat einen Dickschädel, dagegen ist
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