Die Elfen
Manneber abschießen können.
Wieder blickte er zum Lagerplatz. Er musste Gewissheit haben! »Sie vermögen mit nur einem Wort schon zweimal zu lügen«, flüsterte er leise. Wenn er jetzt zum Lager zurückging, dann tat er genau, was der Dämon von ihm erwartete. So war es, seit sie das Tor Aikhjartos durchquert hatten.
Farodin nahm Bogen und Köcher und trat zur Feuerstelle. Feine Eiskristalle tanzten in der Luft. Nie zuvor hatte er einen so eisigen Winter erlebt. Wie gelang es den Menschen nur in diesem unwirtlichen Landstrich zu siedeln? Er legte die Waffen auf seine Decke. Dann kniete er sich neben Brandan nieder. Der Fährtensucher hatte sich auf die Seite gedreht. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Wovon er wohl träumte?
Er würde Brandan nicht in seinen Träumen stören! Schon wollte er sich abwenden, als er ein winziges Eiskristall in Brandans Mundwinkel bemerkte. Erschrocken beugte sich Farodin vor und rüttelte an der Schulter des Jägers.
Brandan rührte sich nicht. Sein Lächeln im Schlaf war ihm zur Totenmaske geworden.
ALTE WUNDEN
»Möge das Feuer euch durch die Dunkelheit geleiten.« Farodin hielt die Fackel an den Scheiterhaufen, den sie aufgeschichtet hatten. Nur langsam griffen die Flammen auf die Fichtenzweige über. Dichter weißer Rauch quoll zum Himmel. Noch trug er den Geruch des Waldes in sich, den Duft von Fichtennadeln und Harz.
Farodin wandte sich ab. Stunden hatten sie gearbeitet, um den Scheiterhaufen aufzurichten. Weil es unmöglich war, den toten Kentauren zu bewegen, hatten sie schließlich Brandan und Lijema zur Lichtung gebracht.
Mandred kniete neben dem Feuer. Seine Lippen bewegten sich stumm. Der Mensch überraschte Farodin. Er schien Aigilaos ins Herz geschlossen zu haben, als wäre er ein Bruder. Und das in so kurzer Zeit!
Der Wind drehte. Wie ein dichter Schleier griff der Rauch nach ihnen. Schon lag ein erster Hauch von brennendem Fleisch in der Luft.
Farodin kämpfte einen Anflug von Übelkeit nieder. »Wir müssen aufbrechen. Uns läuft die Zeit davon.«
Nuramon sah ihn vorwurfsvoll an, als hätte er kein Herz. Oder ahnte er etwas? Vanna hatte nicht feststellen können, woran Brandan gestorben war. Farodin hatte den anderen diesen Teil seines Zwiegesprächs mit dem Devanthar verschwiegen. Er wollte ihnen nicht den Mut nehmen, sagte er sich. Sie durften nicht wissen, dass der Devanthar nur mit einem Gedanken töten konnte! Vielleicht war es ja auch nur Trug. Vielleicht war Brandan auch an etwas anderem gestorben. Es reichte, wenn er sich mit dieser Frage quälte.
»Brechen wir auf!« Mandred erhob sich und klopfte sich den Schnee von der Hose. »Folgen wir dieser Missgeburt und bringen sie zur Strecke.«
Die Sprache des Fjordlandes klang wie ein drohendes Zischeln in Farodins Ohren. Die Königin musste sich geirrt haben. Dieser Mensch würde sie nicht verraten. Er war nur ein Opfer des Devanthars, wie sie alle!
Der Elf zog sich in den Sattel. Er fühlte sich müde. Mit der Zuversicht hatte ihn auch ein guter Teil seiner Kraft verlassen. Oder war es das Schuldgefühl? Würde Brandan noch leben, wenn er, Farodin, nicht gezögert hätte? Er blickte zu den Wölfen. Nur zwei der wilden Jäger begleiteten sie noch. Sie hatten die Ruten ängstlich zwischen die Hinterbeine geklemmt und hielten sich nahe bei den Reitern, als sie die Lichtung verließen.
Farodin lenkte seinen Braunen dicht an die Seite des Menschensohns. »Was ist das für ein Ort - die Höhle des Luth?«
Mandred schlug mit fahriger Geste ein Zeichen in die Luft. »Ein Ort der Macht«, flüsterte er. »Luth, der Weber der Schicksalsfäden, soll dort einen langen Winter verbracht haben. Es war so kalt, dass die Wände der Höhle weiß von seinem Atem wurden.« Der Krieger reckte das bärtige Kinn vor. »Es ist ein heiliger Ort. Wir werden den Manneber dort zur Strecke bringen, denn die Götter werden an unserer Seite sein, wenn…« Der Blick des Menschen heftete sich auf den polierten Schaft der Saufeder, die quer vor ihm auf dem Sattel ruhte.
»Wenn was?«, setzte Farodin nach.
»Wenn sie uns gestatten, dorthin zu kommen.« Mandred deutete nach Norden. »Die Höhle liegt hoch in den Bergen. Die Pässe werden tief verschneit sein. Niemand geht dort mitten im Winter hin.«
»Du warst aber schon einmal dort?«, fragte der Elf misstrauisch.
Mandred schüttelte den Kopf. »Nein, aber die Eisenbärte werden uns den Weg weisen.«
»Eisenbärte? Was ist das?«
Mandred lächelte flüchtig. »Keine
Weitere Kostenlose Bücher