Die Elfen
ihr da und erfahrt, was mir widerfahren ist.« Sie sprach die Worte so, als wäre sie Noroelle. Jede Gefühlsregung spiegelte sich in der Melodie ihrer Stimme wider. »Denkt nicht schlecht von mir, wenn ihr nun erfahrt, was ich getan habe und wohin mich mein Schicksal gebracht hat. Kurz nachdem ihr ausgezogen wart, hatte ich einen Traum. Du, Nuramon, hast mich besucht, und wir haben uns geliebt. Ein Jahr später gebar ich einen Sohn. Ich dachte, es wäre dein Kind, Nuramon, aber ich habe mich geirrt. Denn nicht du warst bei mir in jener Nacht, sondern der Devanthar, den ihr in der Anderen Welt gejagt habt.«
Farodin und Nuramon stockte der Atem. Allein der Gedanke, dass der Devanthar in Noroelles Nähe hatte gelangen können, war ihnen unerträglich.
Farodin musste an den Kampf in der Höhle denken. Der Dämon hatte es ihnen zu leicht gemacht. Nun wusste er, warum. Hatte er vielleicht immer nur einen Weg zu Noroelle gesucht?
Nuramon schüttelte fassungslos den Kopf. Der Devanthar hatte sich seiner Gestalt bedient, um Noroelle zu verführen. Er hatte ihre Liebe ausgenutzt. Sie hatte von ihm geträumt, während der Devanthar sich ihr näherte und sie…
Obilee fasste Nuramons Hand und holte ihn damit aus seinen schmerzvollen Gedanken. »Nuramon, mach dir keine Vorwürfe. Der Dämon trug dein Gesicht, und ich ließ mich von deinem Antlitz und deinem Körper verführen. Aber denke nicht, dass ich deswegen Verachtung oder Ekel verspüre. Ich liebe dich mehr noch als zuvor. Verachte nicht dich, sondern den Devanthar! Er hat das, was wir füreinander fühlten, gegen uns gewandt. Nur wenn wir zu dem stehen, was wir sind und was wir fühlen, kann seine Tat verblassen. Sie wird unwichtig. Gib nicht dir die Schuld.« Obilee schaute ihn an, als wartete sie auf eine Reaktion seinerseits. In ihren Augen lag ein Flehen, dem er sich nicht widersetzen konnte. Er atmete tief aus und nickte dann.
Obilee fasste nun Farodins Hand. »Und du, Farodin, glaube nicht, dass ich meine Wahl schon getroffen hatte. Ich hatte mich nicht insgeheim schon für Nuramon entschieden. Der Dämon ist nicht deshalb zu mir gekommen.«
»Aber wo bist du, Noroelle?«, fragte Farodin. Er war verwirrt. Für einem Moment war ihm wirklich so, als könnte seine Liebste ihn hören.
Obilee lächelte und legte dabei den Kopf zur Seite, wie Noroelle es oft getan hatte. Ihre Augen aber konnten ihre Trauer nicht verbergen. »Ich wusste, dass du diese Frage stellen würdest, Farodin. Dieser eine Funke, den du mir in jener Nacht gewährt hast, dieser eine Blick in dein Innerstes, hat ausgereicht, um dich so kennen zu lernen, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich kann in deinem Innern genauso lesen wie in Nuramons Gesicht. Wo bin ich also? Nun, es wird euch schmerzen, das zu vernehmen. Denn ich bin an einem Ort, an dem mich niemand je erreichen kann. Die Königin hat mich für immer aus Albenmark verbannt. Uns trennen nun Barrieren, die ihr nicht überwinden könnt. Mir bleibt nur die Erinnerung; die Erinnerung an die Nacht vor eurem Aufbruch, da ihr mir beide so viel gegeben habt. Du, Farodin, zeigtest mir den Glanz deines Wesens. Und du, Nuramon, berührtest mich zum ersten Mal.«
Obilee hielt inne, sie schien zu zögern. Schließlich sagte sie: »Ihr sollt auch erfahren, warum ich verbannt wurde. Das Kind, das ich gebar, hatte runde Ohren, und die Königin erkannte es als Dämonenkind, als Kind des Devanthars. Ich sollte mit meinem Sohn drei Nächte nach der Geburt bei Hofe erscheinen, aber die Königin sandte Dijelon und seine Krieger noch in der Nacht aus, um das Kind zu töten. Ich brachte es in die Andere Welt, an einen Ort, an dem die Königin meinen Sohn nur schwer finden würde. Und als ich vor Emerelle stand, weigerte ich mich, seine Zuflucht zu verraten. Vergebt mir, wenn ihr könnt, denn ich sah nichts Böses in den Augen des Kindes. Nun kennt ihr meinen Makel. Aber er soll nicht eurer sein. Verzeiht mir, dass ich so töricht gehandelt habe.« Obilee fing an zu weinen, denn auch Noroelle hatte einst die Tränen nicht länger zurückhalten können. »Bitte erinnert euch an jene schönen Jahre, die wir miteinander verbracht haben. Denn an ihnen war nichts Schlechtes; nichts ist geschehen, was wir bereuen müssten. Was immer auch kommen mag, bitte vergesst mich nicht … Bitte vergesst mich nicht .« Obilee konnte ihre Gefühle nicht länger zurückhalten. »Das waren die Worte Noroelles!«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme und vergrub ihr
Weitere Kostenlose Bücher