Die elfte Geißel
öffnete sich unten auf dem Bildschirm. Keine Schriftzeichen. Nur ein leeres Fenster. Er tippte:
Sérapion:?
Stairway to Heaven: Mir scheint, dass du nicht alles sagst, was du über diesen Film weißt.
Der andere warf ihm unverwandt einen Köder hin. Léopold spürte, dass sich eine Fährte abzeichnete. Er würde vorsichtig verfahren müssen, um nicht den dünnen Faden zu verlieren, den man ihm hinhielt.
Sérapion: Du aber auch nicht.
Stairway to Heaven: Vielleicht.
Sérapion: Entweder du hast Infos und wir verhandeln. Oder ich bin draußen.
Es folgte eine lange Pause.
Léopold biss sich hinter seinem Bildschirm auf die Lippe. Er war vorschnell gewesen. Seine Ungeduld würde ihn noch ruinieren. Das Fehlen einer konkreten Spur hatte ihn die Regel Nummer drei vergessen lassen. Das Spiel akzeptieren und sich als ein passionierter Spieler ausgeben, um die Partie zu seinen Gunsten zu wenden. Doch hier stand allzu viel auf dem Spiel. Gänzlich unerwartet tauchte eine Antwort auf.
Stairway to Heaven: Ich habe vor einigen Tagen die gleiche Info erhalten wie du. Ich habe es für einen Scherz gehalten. Aber dafür waren die Angaben zu präzise. Ich wollte mehr darüber wissen ...
Sérapion: Mach’s kurz.
Stairway to Heaven: Das Video heißt Neverland .
Léopold zuckte zusammen. Jemand hatte es irgendwo hochgeladen. Jetzt müsste man nur noch nacheinander den Webverlauf der Internetbenutzer zurückverfolgen, um denjenigen zu finden, der ihn zu den Kindern führen würde.
Sérapion: Wo bekommt man das Video?
Stairway to Heaven: Dafür musst du zahlen. Ich bin seit Langem hinter einem ganz bestimmten Video her. Es stammt aus dem Jahr 2000 und zeigt eine Rose mit dem Vornamen Alice.
Seine Finger erstarrten über der Tastatur.
Wieso unter den Millionen pädophiler Videos, die im Umlauf waren, ausgerechnet dieses?
Er loggte sich in den internen Server der Polizei ein, öffnete die Site der OCLCTIC – Zentralstelle zur Bekämpfung der Kriminalität im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologien –, gab seine Kennnummer und sein Passwort ein und öffnete die Akte seines Falls.
ALICE DELOGES.
Die Tatsachen verschlugen ihm den Atem.
Im Dezember 2000 begannen ein Video und Fotos, auf denen ein kleines Mädchen bei einer Fellatio zu sehen war, in den Foren von KRUMME 13, einer deutschen Pädophilengruppe, zu kursieren. Die Berliner Polizei kontaktierte Maxime, um ihm ihre Ermittlungsergebnisse vorzulegen: Die Daten wurden in Frankreich ins Netz gestellt.
Vier Monate dauernde Ermittlungen, Jagd und Schlaflosigkeit waren notwendig, um das Haus des Kinderschänders ausfindig zu machen. Dieser wurde auf der Flucht festgenommen. Bei seiner Vernehmung gestand der Entführer, das Mädchen in einer stillgelegten Metrostation ausgesetzt zu haben. Einige Stunden später fand Maxime Kolbe das Mädchen, das nackt in einem Tunnel herumirrte.
Léo überflog die Einzelheiten der Ermittlungsakte. Aber er brauchte nur die Augen zu schließen, um jede Sekunde dieses ersten Ausflugs in die menschlichen Abgründe noch einmal zu erleben.
Er füllte das Ausleihformular für das Video aus und überspielte die Datenbasis auf seinen Rechner. Der Lesebildschirm öffnete sich nach dem Abschluss des Downloads.
Ein zierlicher Körper tanzte nackt und schweigend, während sich die blonden Haare um den Nacken ringelten. Die Füße schienen über den Boden zu schweben. Dann tanzte ein von Kopf bis Fuß schwarzgekleideter Mann mit dem Kind und führte es durch einen gefühlvollen Slowfox. In den Armen der monströsen Erscheinung wirkte die Nacktheit des Mädchens obszön, in geradezu ekelhafter Weise abstoßend. Nach langen Minuten öffnete der Mann seinen Hosenschlitz und nahm seinen Penis heraus, der im Vergleich zu dem Körper, den er an sich drückte, geradezu riesig war. Und sie drehten sich weiter langsam im Kreis in der Mitte des grauen Zimmers.
Léo hielt den Film an und wog das Pro und das Kontra des weiteren Vorgehens ab.
Dieses Video liefern, um einen weiteren Anhaltspunkt dieses Falls zu geben. Misshandlungen, die direkt der Vergangenheit entstammten, eintauschen, um mit dem Puzzle fortzufahren, das ihn zu den Kindern führen würde.
Er ließ die Ermittlungsansätze Revue passieren und gelangte zu dem Schluss, dass sie sehr dürftig waren. Das Versprechen von Stairway to Heaven könnte zu einem entscheidenden Beweis werden. Er bat das Mädchen um Verzeihung, hängte ein Spionageprogramm an das Video an, um
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