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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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anderen zu versetzen. Er fluchte innerlich. Woher hatte sie seine Nummer? Er presste die Augen zusammen und zählte bis drei.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er, wobei er ganz genau wusste, was er nicht tun konnte.
    »Ich habe eine Freundin, die beim Polizeirevier Clermont-Ferrand arbeitet, und ... sie hat mir gesagt, Sie hätten vielleicht neue Erkenntnisse über ihr ... Verschwinden.«
    »In diesem Stadium der Ermittlungen kann ich nicht ...«
    Sie schnitt ihm das Wort ab:
    »Ich weiß, dass Sie in einer Dienststelle arbeiten, die ...die nach Pädophilen fahndet. Bitte lügen Sie mich nicht an, ich will wissen, was mit meiner Tochter passiert ist.«
    »Es tut mir leid. Ich darf Ihnen keine Auskunft geben.«
    Er hörte, wie die Mutter der kleinen Julia das Schluchzen unterdrückte.
    »Ich bitte Sie ... ich kann damit nicht leben. Ich muss es wissen.«
    Er hatte nicht übel Lust, auf die blödsinnigen Dienstvorschriften der Polizei zu pfeifen, ihre Schweigepflicht, und herauszuschreien, dass Julia zwar am Leben war, aber dass es ihr nicht gut ging. Doch er kannte die goldene Regel. Nichts versprechen. Nicht das Mindeste versprechen. Er durfte der Hoffnung keinen Raum geben.
    »Ich darf nicht. Es tut mir aufrichtig leid.«
    Er legte auf, von sich selbst angewidert. Er musste handeln, seine Taten sollten ihm über seine Hilflosigkeit hinweghelfen.
    Léo rief die Polizeireviere an, die Vermisstenanzeigen entgegengenommen hatten und deren Personenbeschreibungen auf die Kinder in dem Film zutrafen. Er ging etwa fünfzig Anzeigen durch und fand neun mit verblüffenden Übereinstimmungen. Letzten Endes konnten fünf Vermisstenanzeigen mit den Kindern in Verbindung gebracht werden, die in Neverland zu sehen waren.
    Drei Jungen. Und, mit Julia Verno, drei Mädchen. Es fehlte eines. Das gleiche Mädchen, das auch in Wonderland fehlte. Er hatte das Standbild des Mädchens vor seinem Auge. Er konnte ihm keinen Namen zuordnen. Braunes Haar. Heller Teint. Geburtszeichen in Form eines Herzens am Hals.
    Léopold markierte die Orte, an denen die Vermissten zum letzten Mal gesehen worden waren, in einer Karte Frankreichs. Er verband diese Punkte gemäß der chronologischen Reihenfolge der Anzeigen miteinander. Keine Logik, die auf den ersten Blick erkennbar gewesen wäre.
    Ein Junge, der am 20. August in Nevers verschwunden war. Ein Mädchen am 28. August in Angoulême. Ein Mädchen am 30. September in Montluçon. Ein Junge am 2. Oktober in Châteauroux. Es folgten Bourges und Clermont-Ferrand.
    Striche zogen sich kreuz und quer über die Karte. Wenn er sich nicht täuschte, waren die Entführungen sorgfältig geplant worden. Die Polizeidienststellen in den verschiedenen Departements hatten keine direkten Zusammenhänge gefunden, einmal abgesehen von drei Vermerken, wo versucht wurde, die Ereignisse vom August miteinander in Verbindung zu bringen. Er rief einen der Beamten an, die sie abgefasst hatten.
    »Nein, Lieutenant, bis jetzt haben wir sonst nichts herausgefunden. In der Generaldirektion neigt man der Hypothese mehrerer Einzelfälle zu, bei denen es sich zweifellos um Kinder handelt, die von daheim ausgerissen sind.«
    »So junge Kinder, glauben Sie das wirklich?«
    »Ich weiß nicht recht, was ich von diesen Fällen halten soll. Keine Lösegeldforderung, nichts in der Art. Soweit man weiß, gab es keinerlei Konflikte, nicht einmal mit Nachbarn. Meine Dienststelle sollte der Frage nachgehen, ob es sich vielleicht um einen Rückfalltäter handelte. Wir haben die Liste sämtlicher Sexualstraftäter überprüft, die unter Auflagen freigelassen wurden und die sich in der Nähe hätten aufhalten können. Das hat nichts ergeben. Ich konnte den Tagesablauf jedes Kindes ganz genau rekonstruieren, aber das hat nicht viel gebracht.«
    »Ein bestimmter Modus operandi?«
    »Nein, und genau darin liegt das Problem. Wir wissen weder warum noch nach welchen Kriterien diese Kinder ausgesucht wurden. Wenn man von der Hypothese einer Entführung ausgeht, sehe ich nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Mistkerl ist extrem raffiniert, oder es handelt sich um mehrere Täter. Wir haben in der Hoffnung abgewartet, der oder die Täter würden einen Fehler machen. Wir glaubten, wir hätten es bald geschafft, als eines der vermissten Kinder in Guéret im Departement La Creuse gesehen wurde.«
    »In Guéret?«
    »Nachdem ein kleiner Junge in Châteauroux verschwunden war, haben wir über die Medien eine Suchmeldung herausgegeben. Ein

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