Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Jungfrauen, die Ihr dort beherbergt, schützen Euch davor, dass sie hier in dieser Stube erscheinen.«
    »Woher bezieht Ihr dieses kostbare Wissen, Frau Almut?«
    »So sagt das Waschweibergeschwätz.«
    Krudener seufzte tief.
    »Die Torheit der Menschen ist unendlicher als das Universum.«
    »Das Universum scheint mir erheblich ungefährlicher zu sein.«
    »Wie recht Ihr habt. Die Wachen werden wieder häufiger über den Neuen Markt gehen müssen. Wann erwartet Ihr Ivo zurück, Frau Almut?«
    »Diese Woche noch. Wir besuchen, seit Pater Leonhard der Pfarre verwiesen wurde, wieder die Kirche von Sankt Brigiden neben dem Kloster. Ich werde am Karfreitag nach der Messe dort nachfragen, ob er zurück ist.«
    »Dann werden wir unser Wissen zusammentragen und sehen, wie man nun handeln muss. Mit aller Bedachtsamkeit und der notwendigen Entschlossenheit.«
    »Ja, handeln müssen wir. Ich wünschte, schon heute könnten wir etwas tun.«
    »Frau Almut, Ihr müsst genauso vorsichtig sein wie unsere Trine hier!«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Ich für meinen Teil werde mit einigen Freunden über den Fall sprechen, die uns den einen oder anderen Weg ebnen werden.«
    Almut musste sich damit zufriedengeben, aber auch die kandierte Kirsche, die sie zum Abschied erhielt, stimmte sie nicht gänzlich zufrieden.

47. Kapitel
    N icht die Glocken hatten zum Gottesdienst gerufen, sondern die Rasseln, Ratschen und Klappern der Jungen, die durch die Gassen liefen, ersetzten an Karfreitag das Geläut.
    Als die Rasselbande endlich verschwunden war und die Gläubigen sich in den Kirchen eingefunden hatten, schien die Stadt menschenleer.
    Claas Schreinemaker nutzte die Stunde. Mit einem Sack, darin mehrere Lagen feinster Seide, machte er sich durch die ausgestorbenen Gassen auf zum Neuen Markt. Er hatte sich noch ein wenig umgehört, seit das Wäschermädchen - eine Enttäuschung wie die anderen auch - ihm von den kostbaren Gebeinen in den Kellergewölben des Apothekers berichtet hatte. Der Mann war rätselhaft, ohne Zweifel. Ob er wirklich über die schwarzen Mächte des Teufels verfügte, wollte er nicht beurteilen. Etwas beklommen machte ihn die Vorstellung jedoch schon. Aber andererseits gab es wahrhaftig die Gebeine der Jungfrauen in seinen Kellern. Es hatte Männer gegeben, die sie gesehen hatten. Lange hatte er auf eine solche Gelegenheit gewartet. Zwar besaß er die Reliquie seiner Mutter und hatte auch von dem Händler einen Knochensplitter in einem Medaillon erstanden. Das Medaillon hatte er verschenkt - nach der Enttäuschung, die die Maid ihm bereitet hatte, hatte er es aber wieder an sich genommen. Reliquien kosteten gutes Geld, und für ihn war es bisher völlig aus jeder Reichweite gewesen, mehr als diese kleinen Knöchelchen zu erwerben. Jetzt aber hatte er die Aussicht, eine vollständige Jungfrau in seinen Besitz zu bringen. Eine, die wahrhaftig war und die ihn nie enttäuschen würde. Es war in der ganzen Reihe die elfte, und auch das stimmte ihn hoffnungsvoll.
    Er wählte nicht den Haupteingang vom Neuen Markt aus, um in die Apotheke zu gelangen, sondern kletterte über die Mauer, die in den Hof führte. Gewöhnlich waren Hintertüren nicht verschlossen oder einfach zu öffnen. Auch hier bewahrheitete sich diese Annahme.
    Was sich nicht bewahrheitete, war die Annahme, die Hausbewohner seien, wie alle anderen, fromm zur Messe gegangen.
    »Calcinatio, Sublimatio!«, schallte es ihm lauthals entgegen.
    Entsetzt drückte sich Claas an die Hauswand neben der Tür und sah sich nach einem Fluchtweg um. Doch nichts weiter geschah, als dass eine graue Katze an seinen Beinen vorbei in den Hof schlüpfte. Vorsichtig spähte er um die Ecke. In dem Labor war keine Menschenseele zu entdecken. Lediglich ein empört aufgeplusterter grüner Vogel starrte ihn mit bösen, schwarz glänzenden Augen an.
    »Feurio, Mordio!«, schmetterte er los, und Claas machte einen beherzten Sprung auf ihn zu. Dämon oder nicht Dämon, das Geschöpf musste zum Schweigen gebracht werden.
    »Mordio! Mor …«
    Mit einer Gebärde des Abscheus warf der Schreinemaker den grüngefiederten Balg in die Ecke und wischte sich die Hände ab, an denen noch einige grellgrüne Federn klebten. Dann sah er sich nach dem Eingang zum Keller um. Er fand die Stiege und entzündete eine der Handlampen, die auf dem Kaminsims standen. Dann machte er sich auf den Weg in die Abgründe. Wie man ihm sagte, gab es erst einmal Lagerräume dort. Nach einem Schrank mit einer entsetzlichen

Weitere Kostenlose Bücher