Die elfte Jungfrau
Eine gute Idee!«
»Ja, und dann habe ich mir überlegt, es wäre doch ganz angemessen, wenn auch wir für die neue Kapelle eine kleine Reliquie hätten. Es könnte sich sehr segensreich auf unsere Gemeinschaft auswirken.«
»Einen der drei Könige?«
Magdas Mundwinkel zuckte leicht, aber sie antwortete ernsthaft: »Wir wollen nicht unmäßig sein. So hoch ist der Preis für das Flicken des Tuchs denn doch nicht. Nein, ich dachte zum Beispiel auch an ein Knöchelchen von den Jungfrauen der Ursula. Obwohl wir natürlich mit diesem Ansinnen im Augenblick nicht gerade im Stift vorsprechen sollten. Es kann auch etwas anderes sein. Sag, ist dir der Reliquienhändler bekannt, von dem deine Schwester sprach? Dieser Stefan oder so?«
»Esteban. Ein Mann aus Kastilien. Mehr weiß ich auch nicht von ihm.« Almut verschwieg jedoch, dass sie ihn schon einmal bei einem unerlaubten Besuch einer Schenke getroffen hatte. »Soll ich ihn aufsuchen wegen einer Reliquie?«
»Wir werden ihn zusammen besuchen, denke ich. Nächste Woche.«
»Gut.«
»Frau Franziska hat uns zu ihrer Hochzeit eingeladen. Es wäre nur recht, wenn wir ihr ein Brautgeschenk mitbringen. Du hast dich ja mit der Kleinen ein wenig angefreundet. Was könnte sie Nützliches brauchen?«
»Nützliches, denke ich, findet sie im ›Adler‹ in ausreichender Menge. Töpfe und Kessel, Geschirr und Krüge, Wäsche und Betten sind dort reichlich vorhanden. Aber ich wüsste etwas, das sowohl nutzbringend als auch willkommen wäre. Allerdings ist es auch wertvoll.«
»Sie hat uns gute Dienste geleistet, als Gertrud krank war. Ein wenig kostspielig darf es sein. Was stellst du dir vor?«
»Sie fand dieses süße Pulver, den Zucker, den Meister Krudener in seiner Apotheke anbietet, höchst schätzenswert.«
»Ah, ich erinnere mich an die glasierten Krapfen, ja, ja. Eine gute Idee.«
»Fein, ich kümmere mich morgen darum.«
»Pater Leonhard ist von Bonn zurückgekehrt, wir können also die Messe wieder in unserer Pfarrkirche besuchen. Er kommt morgen Nachmittag vorbei, um die Beichten abzunehmen.« Ein feines Lächeln huschte über Magdas Gesicht. »Er vermutet, die Sündenlast müsse uns niederdrücken, weil er uns doch so lange vernachlässigt hat.«
»Hat ihn irgendjemand gezwungen, mit dem Erzbischof nach Bonn zu gehen und uns hier in unserem geistlichen Elend allein zu lassen?«, ereiferte Almut sich.
»Mäßige dich, Almut, mäßige dich. Und bedenke, wenn du beichtest, dass dir bereits von deinem großmütigen Beichtiger viele deiner Sünden vergeben wurden. Du musstest harte Bußen auf dich nehmen.«
»Hm.«
»Almut?«
»Ich bin froh über Pater Leonhards Rückkehr.«
»Ach? Na gut. Dann wirst du sicher auch dein Temperament zügeln, wenn du mit ihm zusammentriffst.«
»Natürlich.«
»Und keine unpassenden Zitate verwenden.«
»Nein.«
»Er würde es nicht verstehen. Anders als dein Pater!«
»Er ist nicht...«
»Schon gut.«
»Ist das alles, Magda?«
»Nein, eine Angelegenheit habe ich noch, Almut. Eine ernste. Du weißt, ich werde in diesem Herbst zweiundsechzig Jahre alt. Meine Zeit als Meisterin läuft im nächsten Jahr ab, und ich werde mich nicht wieder zur Wahl stellen. Zehn Jahre sind genug, ich möchte meine letzten Lebensjahre in Ruhe verbringen.«
»Bist du sicher, dass dir die Aufgaben nicht fehlen werden?«
»Ich werde glücklich sein, ein einfaches, bescheidenes Leben zu führen.«
Almut sah mit Schrecken die Zeit kommen, in der Magda als eine einfache, bescheidene Begine unter den anderen lebte, und bedauerte von Herzen jene, die dann den Posten der Meisterin innehaben würde. Magda war eine rege, verantwortungsvolle und unermüdliche Frau mit sehr hohen Ansprüchen an sich und ihre Schutzbefohlenen. Die neue Meisterin würde beständig damit zu kämpfen haben, ihren Vorstellungen zu genügen.
»Nun, bis dahin ist noch etwas Zeit, nicht wahr?«
»Wenig, Almut. In meinem Alter verrinnt die Zeit schnell und schneller, und ich möchte mein Amt geordnet und in gute Hände gelegt wissen.«
Almut verspürte ein warnendes Ziehen. In den vergangenen Wochen hatte Magda sie mit immer mehr Verwaltungsaufgaben betreut. Sollte sie etwa mit dem Gedanken spielen …
»Du wirst sicher nicht überrascht sein, meine Liebe, wenn ich den heimlichen Wunsch hege, dir diese Aufgabe anzudienen. Ich glaube, man würde dich einstimmig wählen.«
»Magda... Uh, danke, ich fühle mich geehrt. Aber... Ich weiß nicht...«
»Ich weiß schon. Du bist
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