Die Elite
nicht.
»Ich dachte, du hättest dich für mich entschieden«, sagte er, und blickte dabei an die Decke. »Wenn ich dir an Halloween einen Antrag hätte machen dürfen, hätte ich es getan. Eigentlich sollte das ganz offiziell im Beisein meiner Eltern und mit Gästen und Kameras vonstattengehen, doch ich hatte mir die Erlaubnis eingeholt, dich allein fragen zu dürfen. Danach hätten wir dann einen Empfang gegeben. Das habe ich dir nie erzählt, oder?«
Maxon schaute mich an, und ich schüttelte sanft den Kopf. Die Erinnerung daran entlockte ihm ein bitteres Lächeln.
»Ich hatte eine Rede vorbereitet, wollte dir so vieles versprechen. Vielleicht hätte ich aber auch vor Aufregung alles vergessen und mich zum Idioten gemacht. Obwohl … selbst jetzt kann ich sie noch auswendig. Aber ich verschone dich lieber damit.«
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Als du mich zurückgestoßen hast, geriet ich in Panik. Ich hatte gedacht, ich hätte diesen verrückten Wettbewerb endlich hinter mir, und plötzlich stand ich wieder ganz am Anfang des Castings – nur dass diesmal die Auswahl sehr viel beschränkter war. Und dann hatte ich mich ja gerade in der Woche vor der Party mit den anderen Mädchen verabredet, um vielleicht doch noch eine zu finden, die dich in den Schatten stellen würde, eine, die ich noch mehr lieben könnte. Doch das hatte nicht funktioniert. Also war ich völlig verzweifelt.
Und dann kam Kriss zu mir, in ihrer bescheidenen Art. Sie wollte mich einfach nur glücklich machen, und ich fragte mich, wieso ich diesen Zug an ihr bisher übersehen hatte. Dass sie nett war und sehr gut aussah, war mir natürlich klar. Doch die ganze Zeit über hatte noch so viel mehr in ihr gesteckt. Wahrscheinlich hatte ich einfach nicht richtig hingeguckt. Warum auch, denn es gab ja dich.«
Ich schlang die Arme um meine Knie und versuchte dem Schmerz zu entkommen, der mich überfiel. Ich hatte alles zerstört.
»Liebst du sie?«, fragte ich mit rauer Stimme. Ich wollte ihm nicht ins Gesicht sehen, doch das lange Schweigen, das auf meine Frage folgte, machte mir klar, wie eng die beiden miteinander verbunden waren.
»Es ist anders als das, was zwischen uns war. Es ist stiller und vielleicht auch freundschaftlicher. Aber es ist von Dauer. Ich kann mich auf Kriss verlassen, sie ist mir ohne jede Einschränkung ergeben. Wie du weißt, gibt es in meinem Leben sehr wenig Sicherheit. Deshalb ist das eine ganz neue Erfahrung für mich.«
Ich nickte und vermied es noch immer, ihn anzusehen. Alles, woran ich denken konnte, war, dass er von uns in der Vergangenheit sprach und gleichzeitig Kriss in den Himmel lobte. Ich wünschte, ich hätte etwas Schlechtes über sie sagen können, etwas, das sie eine Stufe herabsetzte. Aber da gab es nichts. Kriss war eine Dame. Von Anfang an hatte sie alles richtig gemacht, und ich fragte mich, wieso er mich ihr überhaupt jemals vorgezogen hatte. Sie war die perfekte Frau für ihn.
»Aber warum dann Celeste?«, fragte ich und blickte ihn endlich an. »Wenn Kriss so wundervoll ist.«
Maxon schaute verlegen auf seine Schuhspitzen, das Thema schien ihm peinlich zu sein. Da es aber seine Idee gewesen war, über das Ganze zu reden, musste er ja irgendeine Erklärung im Kopf gehabt haben. Er stand auf und drückte vorsichtig den Rücken durch. Dann fing er an, in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen.
»Wie du weißt, ist mein Leben nicht immer ein Vergnügen. Ich stehe ständig unter Strom. Dauernd werde ich beobachtet und beurteilt – von meinen Eltern, von unseren Beratern … In meinem Leben gab es schon immer Kameras, erst recht, seit ihr hier seid«, erklärte er und deutete auf mich. »Als Fünf warst du bestimmt schon mehr als einmal Beschränkungen unterworfen. Was glaubst du also, wie ich mich fühle? Ich habe schlimme Dinge gesehen, America. Ich weiß, wie viel Unrecht hier herrscht. Aber ich bezweifle langsam, dass es mir jemals gelingen wird, daran etwas zu ändern.
Mein Vater will zurücktreten, wenn ich Mitte zwanzig bin. Natürlich nur, wenn er den Eindruck hat, ich sei fähig, das Land zu regieren. Aber glaubst du wirklich, dass er die Fäden aus der Hand geben wird? Solange er lebt, wird das nicht geschehen. Und obwohl ich weiß, wie schrecklich er ist, kann ich mir seinen Tod nicht wünschen … Er ist schließlich mein
Vater.
«
Ich nickte.
»Wo wir gerade davon sprechen: Selbstverständlich hat er auch beim Casting von Anfang an seine Hände im Spiel gehabt. Wenn
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