Die Elite
wenn du nicht Prinzessin wirst? Dadurch bist du nicht weniger umwerfend. Und du weißt … du weißt …« Den Rest brachte er nicht über die Lippen, und ich riskierte es, ihn anzublicken.
In Aspens Augen sah ich tausend Varianten, den Satz zu beenden, und jede von ihnen verband mich mit ihm. Dass er noch immer auf mich wartete. Dass er mich besser als jeder andere kannte. Dass wir aus demselben Holz geschnitzt waren. Dass ein paar Monate im Palast zwei Jahre nicht ungeschehen machen konnten. Egal, was passierte, Aspen würde immer für mich da sein.
»Ich weiß, Aspen. Ich weiß.«
7
I ch stand in einer Reihe mit den anderen Mädchen in der großen Empfangshalle des Palastes und wippte ungeduldig auf den Füßen auf und ab.
»Lady America«, flüsterte Silvia eindringlich. Mehr war nicht nötig, damit ich wusste, dass ich mich inakzeptabel verhielt. Als verantwortliche Leiterin des Castings nahm sie unser Benehmen geradezu persönlich.
Ich ermahnte mich, still zu stehen. Doch insgeheim beneidete ich Silvia, die Dienerschaft und die Wachen, die in der Halle umherliefen – und sei es nur, weil sie sich bewegen durften. Vielleicht hätte ich das Warten besser ausgehalten, wenn Maxon schon dagewesen wäre. Aber vielleicht wäre ich dann auch noch angespannter gewesen. Ich konnte mir noch immer nicht erklären, warum er sich in letzter Zeit nicht mehr mit mir getroffen hatte.
»Sie sind da!«, ertönte es vom Palastportal. Ich war nicht die Einzige, die daraufhin einen kleinen Freudenschrei ausstieß.
»Also schön, meine Damen!«, rief Silvia. »Zeigen Sie sich von Ihrer besten Seite! Diener und Zofen nehmen bitte an der Wand Aufstellung.«
Wir versuchten uns wie reizende junge Damen zu benehmen, genau, wie sie es von uns erwartete. Aber in dem Moment, als Kriss’ und Marlees Eltern durch die Tür traten, löste sich alles in Wohlgefallen auf. Es war offensichtlich, dass sie ihre Kinder viel zu sehr vermisst hatten, um sich groß um die Etikette zu kümmern. Sie kamen jubelnd hereingestürmt, und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, durchbrach Marlee daraufhin unsere Aufstellung.
Celestes Eltern konnten sich etwas besser beherrschen, auch wenn sie offensichtlich überaus entzückt waren, ihre Tochter endlich wiederzusehen. Celeste verließ ebenfalls ihren Platz in der Reihe, aber deutlich gesitteter als Marlee. Natalies und Elises Eltern nahm ich gar nicht mehr wahr, denn im nächsten Moment kam eine schmale Gestalt mit wilder roter Mähne hereingeschossen.
»May!«
Als sie mich aufgeregt rufen und winken sah, kam sie mir strahlend entgegen. Mom und Dad folgten ihr. Ich umarmte May fest und im Überschwang der Wiedersehensfreude sanken wir gemeinsam auf die Knie.
»Mer! Ich kann es nicht glauben!«, quietschte sie. »Du siehst so wunder-, wunderschön aus!« Bewunderung und ein Hauch Eifersucht schwangen in ihrer Stimme mit.
Vor lauter Freudentränen konnte ich nicht sprechen.
Einen Augenblick später spürte ich die Arme meines Vaters, der uns beide umfing. Dann kam Mom, die ebenfalls ihren üblichen Anstand fahren ließ. Und schon hielten wir uns alle in einem wuseligen Knäuel auf dem Boden umschlungen.
Ich vernahm einen Seufzer, der eindeutig von Silvia kam, aber in diesem Augenblick kümmerte es mich nicht.
»Ich freue mich so, dass ihr hier seid«, sagte ich, als ich wieder Luft bekam.
»Wir auch, Kätzchen«, beteuerte Dad. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr wir dich vermisst haben.« Ich spürte, wie er mich auf den Hinterkopf küsste.
Ich drehte mich herum, so dass ich ihn besser umarmen konnte. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht gewusst, wie ich mich nach meiner Familie gesehnt hatte.
Zuletzt streckte ich die Hand nach Mom aus. Mir fiel auf, wie still sie war, und ich konnte kaum glauben, dass sie noch keinen detaillierten Bericht über meine Fortschritte in Bezug auf Maxon verlangt hatte. Doch dann bemerkte ich Tränen der Rührung in ihren Augen.
»Du bist so wunderhübsch, Liebes. Du siehst wie eine richtige Prinzessin aus.«
Ich lächelte. Es war so schön, dass sie mich zur Abwechslung mal nicht ausfragte oder belehrte. Sie genoss einfach den Moment, und mir ging es genauso.
Während wir uns noch in den Armen lagen, bemerkte ich, wie sich Mays Augen über meine Schulter hinweg auf etwas richteten.
»Da ist er«, hauchte sie.
Ich blickte sie fragend an. Dann wandte ich mich um und sah, wie Maxon uns von der großen Treppe aus beobachtete. Mit amüsiertem Blick
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