Die Elite
Ärmel wirkten unglaublich dramatisch, und ich bewunderte sie dafür, dass es ihr gelang, sich mit dem kunstvollen Kopfschmuck, den sie trug, überhaupt noch fortzubewegen. Elise stach normalerweise nicht besonders hervor, doch an diesem Abend sah sie einfach bezaubernd, fast königlich aus.
Alle Familienmitglieder und Freunde im Saal waren ebenfalls verkleidet, und auch die Wachen hatten sich verwegen kostümiert. Ich sah einen Baseballspieler, einen Cowboy, einen Mann im Anzug mit einem Namensschild, auf dem »Gavril Fadaye« stand. Einer der Wachmänner war sogar so kühn, ein Kleid zu tragen. Doch die meisten hatten sich für ihre Gala-Uniform entschieden, die aus einer weißen Hose und einer blauen Jacke bestand. Dazu trugen sie Handschuhe, aber keine Kopfbedeckung, weshalb man sie gut von den Wachen unterscheiden konnte, die tatsächlich im Dienst waren und den Saal bewachten.
»Nun, wie findest du es?«, fragte ich May, doch als ich mich umdrehte, stellte ich fest, dass sie bereits in der Menge verschwunden war, um den Saal zu erkunden. Kurz darauf entdeckte ich ihr bauschiges Kleid inmitten des Getümmels. Als sie verkündet hatte, sie wolle als Braut verkleidet zum Fest gehen – »so wie sie im Fernsehen aussehen« –, hatte ich das für einen Scherz gehalten. Trotzdem sah sie mit ihrem Schleier absolut umwerfend aus.
»Hallo, Lady America«, flüsterte plötzlich jemand in mein Ohr.
Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Neben mir stand Aspen in Gala-Uniform.
»Du hast mich vielleicht erschreckt!«
Aspen grinste. »Dein Kostüm gefällt mir«, bemerkte er fröhlich.
»Danke schön. Mir auch.« Anne hatte mich in einen Schmetterling verwandelt. Ich trug ein Kleid aus hauchzartem, schwarz gesäumtem flatternden Stoff, das am Rücken spitz zulief. Eine kleine Maske in Flügelform bedeckte meine Augen, und ich kam mir sehr geheimnisvoll vor.
»Warum hast du dich nicht verkleidet?«, fragte ich. »Ist dir nichts eingefallen?«
Aspen schüttelte den Kopf. »Ich ziehe die Uniform vor.«
»Oh.« Ich fand es schade, eine so gute Gelegenheit, einmal etwas anderes auszuprobieren, zu vergeben. Warum nutzte er das hier nicht aus?
»Ich wollte nur kurz hallo sagen und sehen, wie es dir geht.«
»Gut«, antwortete ich rasch. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich.
»Aha«, erwiderte er knapp. »Also gut.«
Vielleicht erwartete er nach unserem letzten Gespräch eine ausführlichere Antwort, aber ich war noch nicht bereit dazu. Schließlich verbeugte er sich und ging davon, zu einem anderen Officer, der ihn wie einen Bruder umarmte. Ich fragte mich, ob ihm sein Dasein als Soldat ein Gefühl von Familie vermittelte. So ging es mir mit der Elite. Kurze Zeit später zogen mich Marlee und Elise auf die Tanzfläche. Während ich mich zur Musik hin und her wiegte und versuchte, dabei möglichst niemanden zu verletzen, erblickte ich Aspen, der am Rand der Tanzfläche mit Mom und May sprach. Mom fuhr gerade mit der Hand über Aspens Ärmel, als ob sie ihn glätten wollte, und May strahlte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie ihm versicherten, wie gut ihm seine Uniform stand und dass seine Mutter stolz auf ihn wäre, wenn sie ihn hier sehen könnte. Er lächelte sie an, und ich merkte, wie erfreut er war. Aspen und ich waren Exoten, eine Fünf und eine Sechs, die sich aus ihrem eintönigen Dasein befreit hatten und in einem Palast gelandet waren. Das Casting hatte mein Leben sosehr verändert, dass ich manchmal vergaß, diese Veränderung entsprechend zu würdigen.
Ich tanzte gerade mit einigen der Mädchen und Wachen im Kreis, als die Musik abbrach und der DJ das Wort ergriff.
»Meine verehrten Damen der Elite, meine hochgeschätzten Herren Offiziere, liebe Freunde und Verwandte der Königsfamilie, bitte heißen Sie König Clarkson, Königin Amberly und Prinz Maxon Schreave willkommen!«
Die Band spielte einen Tusch, und wir alle knicksten oder verbeugten uns, als die drei gemeinsam den Saal betraten. Der König war offenbar als König verkleidet, nur eben als Herrscher eines anderen Landes. Allerdings war mir nicht klar, von welchem. Das Kleid der Königin war so tiefblau, dass es fast schwarz wirkte. Es war mit glitzernden Juwelen nur so übersät und sah wie der nächtliche Sternenhimmel aus. Maxon war amüsanterweise als Pirat verkleidet. Seine Hose war an einigen Stellen zerrissen, und er trug ein weites Hemd mit einer Weste und hatte ein Tuch um den Kopf geschlungen. Um noch authentischer zu
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