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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiera Cass
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Verbündeten gewonnen hat, bekomme ich, was ich will – eine Krone. Ich denke, das ist ein faires Geschäft. Warum soll ich mich damit begnügen, Präsident zu sein, wenn ich auch König sein kann? Alles ist bereit. Nach dem morgigen Tag gibt es kein Zurück mehr.
    Er hatte sie verkauft. Nur um seine Ziele zu erreichen, hatte er seine Tochter an einen Mann verkauft, den sie verabscheute.
    Im ersten Impuls klappte ich das Buch angewidert zu, um das alles von mir fernzuhalten. Doch dann zwang ich mich, einzelne Passagen noch einmal durchzugehen.
    An einer Stelle wurde das Schema des Kastensystems grob skizziert, ursprünglich waren wohl nur sechs statt acht Kasten vorgesehen gewesen. An anderer Stelle plante Gregory Illeá, die Nachnamen der Menschen abzuändern, um die Vergangenheit endgültig auszulöschen. In einer weiteren Passage wurde deutlich, dass er beabsichtigte, seine Feinde durch Herabstufung zu bestrafen und seine Getreuen durch die Platzierung in einer höheren Kaste zu belohnen.
    Ich fragte mich, ob meine Urgroßeltern einfach nur nichts zu bieten gehabt oder ob sie sich den neuen Verhältnissen widersetzt hatten. Ich hoffte, Letzteres.
    Wie hatte wohl unser Nachname gelautet? Ob Dad es wusste?
    Mein ganzes Leben hatte man mich glauben lassen, dass Gregory Illeá ein Held war. Dass er der Mann war, der unser Land gerettet hatte, als es am Rand des Zusammenbruchs stand. Doch er war eindeutig nichts weiter als ein machthungriger Despot. Was war das für ein Mensch, der das Volk mit solcher Freude manipulierte? Welcher Mann verkaufte seine Tochter zu seinem eigenen Vorteil?
    Ich sah mir die älteren Einträge an, die mir nun in einem ganz anderen Licht erschienen. Er sagte nie, dass er ein Familienmensch
sein
wollte. Er wollte nur wie einer
wirken.
Und er würde sich
einstweilen
Wallis’ Regeln unterwerfen. Ohne Skrupel benutzte er die Freunde seiner Söhne, um mehr Unterstützung zu erhalten. Von Anfang an war es für ihn nur ein Spiel um Macht gewesen.
    Verstört stand ich auf und lief rastlos im Zimmer auf und ab. Wie konnte das alles in Vergessenheit geraten? Woran lag es, dass nie jemand über die alten Verhältnisse sprach? Wo war dieses ganze Wissen geblieben? Warum redete keiner darüber?
    Ich starrte durchs Fenster in den nächtlichen Himmel. Ganz bestimmt hatte doch irgendjemand, der mit dem neuen System nicht einverstanden gewesen war, seinen Kindern die Wahrheit gesagt. Ich hatte mich oft gefragt, warum Dad mir verbot, über das veraltete Geschichtsbuch zu sprechen, das er in seinem Zimmer versteckte. Warum war die Geschichte von Illeá, die ich kannte, nie gedruckt worden? Würden die Leute revoltieren, wenn sie schwarz auf weiß lesen könnten, dass Gregory Illeá kein Held war? Doch wenn alles nur Spekulation war, wenn einer darauf beharrte, es habe sich ganz sicher so abgespielt, und der andere das bestritt – wie sollte man dann noch wissen, was die Wahrheit war?
    Ich fragte mich, ob Maxon Bescheid wusste.
    Plötzlich fiel mir wieder etwas ein. Es war noch gar nicht so lange her, dass er mich zum ersten Mal geküsst hatte. Es kam sehr unerwartet, und ich war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen, was ihn sehr beschämte. Doch als mir klargeworden war, dass auch ich mir diesen Kuss wünschte, hatte ich vorgeschlagen, die Erinnerung an den ersten, unbeholfenen Versuch einfach auszulöschen und es besser zu machen.
    Ich glaube nicht, dass Sie die Geschichte verändern können, America
, hatte er damals gesagt. Worauf ich geantwortet hatte:
Natürlich kann man das. Und außerdem: Wer soll das jemals erfahren außer uns beiden?
    Selbstverständlich hatte ich es scherzhaft gemeint. Wenn er und ich heirateten, würden wir uns ganz sicher immer daran erinnern, was wirklich passiert war. Ganz gleich, wie peinlich es gewesen war. Und tatsächlich hatten wir den verpatzten Kuss nie um einer besseren Show willen durch eine perfekter klingende Version ersetzt.
    Doch das gesamte Casting war eine Show. Wenn man Maxon und mich jemals nach unserem ersten Kuss fragte, würden wir dann die Wahrheit sagen? Oder würde dieses kleine Detail ein Geheimnis zwischen uns beiden bleiben? Wenn wir starben, würde es niemand mehr wissen und dieser kleine Bruchteil eines Augenblicks, der so kennzeichnend für uns beide war, wäre für immer verschwunden.
    War es wirklich so simpel? Man erzählte einer Generation eine Geschichte und wiederholte sie so lange, bis sie schließlich als Tatsache allgemein

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