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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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vielleicht seit seiner Geburt? Yaahhh ... Die Angst ballont ihm wieder im Gehirn. Sie wird sich nicht noch einmal mit einem einfachen Geht scheißen niederhalten lassen ... Ein Geruch, ein verbotener Raum, an der untersten Kante seiner Erinnerung. Er kann ihn nicht sehen, nicht erkennen. Will es auch nicht. Er hängt zusammen mit dem Allerschlimmsten. Er weiß, was der Geruch sein muß: Obwohl es, nach diesen Papieren hier, zu früh gewesen wäre dafür, obwohl ihm nichts von dem Zeug jemals zwischen den Koordinaten seines wachen Lebens begegnet ist, weiß er dennoch, hier unten in der warmen Dunkelheit, unter frühen Umrissen, wo Uhren und Kalender nicht allzuviel bedeuten, daß das, was ihn verfolgt, sich als der Geruch von Imipolex G erweisen wird.
    Und da ist dieser Traum, den er kürzlich hatte und dessen Wiederkehr er fürchtet. Er befand sich in seinem alten Zimmer, im Haus seiner Eltern. Es war ein Sommernachmittag voller Flieder und Bienen und einer warmen Brise, die durchs Fenster hereinwehte. Slothrop hatte ein uraltes Wörterbuch für technisches Deutsch gefunden. Es öffnete sich auf eine bestimmte Seite, prickelnd vor halbfetten Lettern. Die Seite überfliegend, stieß er auf JAMF. Die Übersetzung lautete: Ich. Er schreckte hoch, Es anflehend: nein. Doch selbst im Wachen war er überzeugt, blieb überzeugt, daß Es ihn wieder heimsuchen konnte, wann immer Es wollte. Vielleicht kennst du diesen Traum auch. Vielleicht hat Es dich gewarnt, jemals laut auszusprechen, wie Es wirklich heißt. Wenn ja, kannst du dir denken, wie sich Slothrop jetzt fühlt. Was er tut, ist auf die Füße taumeln und zur Tür des Güterwagens, der gerade eine Steigung nimmt. Er reißt die Tür auf, schlüpft hinaus - Handeln, Handeln-und klettert über eine Leiter auf das Dach. Dreißig Zentimeter vor seinem Gesicht hängt diese Doppelreihe strahlend weißer Zähne in der Luft. Das, was ihm gerade noch gefehlt hat. Es ist Major Marvy vom Waffenamt der US-Armee, der Boss von Marvys Müttern, dem schärfsten Team der technischen Abwehr, das es in dieser ganzen verfluchten Zone gibt, Mister. Slothrop darf ihn Duane nennen, wenn er will. "Rotznigger, Rotznigger, hab ich doch diese ganzen Baumaffen dort drin, im nächsten Waggon, alle auf einem Haufen, o Manno!"
    "Augenblick mal", macht Slothrop, "ich glaub, ich hab geschlafen oder so was." Seine Füße sind kalt. Dieser Marvy ist wirklich fett. Die Hosen in glänzende Kampfstiefel geblust, Fettwulst über dem Stoffkoppel, in dem er seine Sonnenbrille und seine 45er, beide horngefaßt, stecken hat, Haare zurückgeklatscht, Augen wie Sicherheitsventile, die einem entgegenspringen, wenn, so wie jetzt, der Druck in seinem Kopf zu groß wird.
    Marvy hat sich in einer P-47 von Paris bis rauf nach Kassel mitnehmen lassen, westlich Heiligenstadt dann auf diesen Zug geschmissen. Er will zu den Mittelwerken, wie Ian Scuffling auch. Muß sich koordinieren mit ein paar ProjektHermes-Typen von General Electric. Die ganzen Nigger nebenan, so Tür an Tür, klar, daß ihn das nervös macht. "Hey, wär das nich 'ne Story für euch Schmierfritzen? Mom und Paps zu Hause warnen?" "Sind das GIs?"
    "Scheiße nein: Krauts! Südwestafrikaner. Irgend so was. Soll das etwa heißen, daß du nichts davon weißt? Mach Witze! Allzuviel scheint eure Aufklärung wirklich nicht aufzuklären, haha, nix für ungut, dachte mir nur, daß es schon überall rum wäre!" Folgt eine Schauergeschichte - die wie von SHAEF erfunden klingt, nachdem es Goebbels' nicht gerade prickelnde Phantasie nur zu Alpenfestungen und dergleichen gebracht hat - von Hitlers Plänen für ein Nazi-Imperium in Schwarzafrika, die erst im Arsch waren, als der alte Patton in der Wüste Rommel zur Sau gemacht hatte: " - , haha, ha", und er rüffelt säuisch seine eigene fette Nase. Jedenfalls, die schwarzen Kader hatten keine Zukunft mehr in Afrika, blieben, wenn auch ohne offizielle Anerkennung, als Exilregierungen in Deutschland, sickerten irgendwie in die Artillerieabteilungen der Wehrmacht ein und kriegten ziemlich bald spitz, wie man Raketentechniker wurde. Jetzt laufen sie frei in der Zone herum. Wild. Sind nicht als PWs interniert worden, soweit Marvy weiß nicht mal entwaffnet. "Nicht genug, daß wir uns mit Russkis, Franzen, Limeys rumärgern müssen - hey, nix für ungut, Kamerad! Jetzt haben wir auch nochnä, nicht einfach Nigger, verstehsde, sondern Kraut-Nigger! Gott im Himmel! Nach dem V-E-Day
    konntesde keine Rakete findn, wo nich 'n

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