Die Enden der Parabel
Nigger dabei war. Nie 'ne ganze Batterie ganz aus Niggern, klar. So bescheuert waren nich mal die Krauts! Eine Batterie macht 81 Mann, plus Nachschub, Funktrupp, Energie, Sprit, Geländesicherung -Menschenskind, da wär 'n schöner Haufen Nigger beisammen. Aber jetzt, was ist jetzt, sind sie immer noch verstreut, wie früher? Das mußde rausfinden, das wär 'n Knüller, Freundchen. Denn jetzt, wenn die sich jetzt zusammentun, dann gibt's Ärger! In dem Waggon da stecken wenigstens zwei Dutzend, genau da unten, schau! Und sie wollen nach Nordhausen, Kamerad!" Ein feister Fingerstoß in den Brustkasten bei jedem Wort: "Na? Was-glaubst-du-ham-die-vor? Willsde hören, was ich glaub? Sie haben einen Plan. Yeah. Mit den Raketen, glaub ich. Frag nicht, woher ich's weiß, es is nur so 'n Gefühl im Bauch. Und eins ist klar - daß das verdammt gefährlich wird. Wie kann man denen trauen mit Raketen ? Sie sind wie Kinder. Kleinere Gehirne." "Aber unsere Geduld", bemerkt eine ruhige Stimme aus der Dunkelheit, "unsere Geduld ist groß, sehr groß, wenn auch vielleicht nicht grenzenlos." Mit diesen Worten kommt ein hünenhafter Afrikaner mit einem königlichen Vollbart heraufgestiegen, packt sich den fetten Amerikaner, läßt ihm Zeit für einen kurzen Schrei und schleudert ihn vom Dach nach unten. Gemeinsam beobachten Slothrop und der Afrikaner, wie der Major auf der Böschung aufschlägt und mit fliegenden Armen und Beinen außer Sichtweite kollert. Tannen drängen sich auf den Hügeln. Ein zunehmender Mond ist über einem felsigen Gipfel aufgegangen.
Der Mann stellt sich auf englisch vor, als Oberst Enzian, vom Schwarzkommando. Er
entschuldigt sich für seine Unbeherrschtheit von eben, bemerkt Slothrops Armbinde,
verweigert ein Interview, noch ehe Slothrop ein Wort herausgebracht hat. "Es gibt
keine Story. Wir sind DPs, wie alle anderen auch."
"Der Major schien beunruhigt, daß Sie nach Nordhausen wollen."
"Marvy wird lästig werden, soviel steht fest. Dennoch stellt er das kleinere Problem
dar, verglichen mit-" Er mustert Slothrop.
"Hmm. Sind Sie tatsächlich Kriegsberichterstatter?" "Nein."
"Ein freier Agent, würde ich sagen." "Bei dem bin ich mir nicht so sicher, Oberst." "Natürlich sind Sie frei. Wir alle sind frei. Sie werden selbst sehen. Schon bald." Er steigt wieder davon, die Leiter vom Dach des Güterwagens hinab, mit einem deutschen Abschiedswinken.
"Schon bald..." Slothrop bleibt sitzen und rubbelt seine nackten Füße. Ein Freund? Ein gutes Omen? Schwarze Raketentruppen? Was für 'n bizarrer Scheiß ist das nun wieder?
Hey, guten Morgen, Kumpel, jetzt ist Schluß Mit Gerumpel, jetzt ist Schluß Mit Krieg Nummer zwo-o-o-o! Der Kampf ist vorbei, die Welt ist wie neu, Die Sonne sagt wieder hallo! Du da, Hermann, mein German, hör schon auf mit dem Jammern,
Auch für dich geht's jetzt wieder nach Haus! Der böse Wolf ist fort vom Raketenort, Drum tanzt auf den Tischen, wie, Mickey-Mouse -(Und du sei 'n braves Mädchen, Gretchen!) Tanzt, auf den Tischen, wie, Mickey-Mouse!
Nordhausen am Morgen: die Flur ist grüner Salat, saftig vor Regentropfen. Alles ist frisch und gewaschen. Rundherum buckeln die Harzberge, dunkle Hänge, bis zu den Gipfeln bewachsen mit Fichten, Tannen und Lärchen. Spitzgiebelige Häuser, Wasserpfützen, die den Himmel spiegeln, schlammige Straßen. Amerikanische und russische GIs mit Seitengewehren strömen durch die Türen von Wirtshäusern und behelfsmäßigen PX-Läden. Oben auf den Bergen wandern Sonnenflecken über Wiesen und Rodungsstreifen, während die Regenwolken über Thüringen davontreiben. Burgen hoch über der Stadt segeln durch Wolkenfetzen. Alte Pferde mit knotigen, schlammverkrusteten Gelenken, kurzbeinig und weitbrüstig, ziehen Wagenladungen von Fässern von den Weinbergen zu den Wirtshäusern. Ihre Halsmuskeln spannen sich in den Doppelgeschirren, die sie aneinanderketten, ihre schweren Eisen lassen bei jedem ihrer nassen Tritte eine Dreckblüte aufspritzen. Slothrop wandert in einen dachlosen Teil der Stadt. Alte Leute, ganz in Schwarz, huschen wie Fledermäuse zwischen den Mauern. Läden und Wohnungen sind längst von den befreiten Arbeitssklaven aus dem Dora-Lager ausgeplündert worden. Einige von diesen Tunnelkünstlern hängen noch hier herum, glotzen wäßrig aus Toreinfahrten, stellen Bettelkörbe und rosa Winkel zur Schau. Durch das glaslose Auslagenfenster eines Modegeschäfts, im Halbschatten hinter einer gipsernen Kleiderpuppe, die kahlköpfig und
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