Die Enden der Parabel
noch formloses Blastulabläschen, schon gefurcht, schon Embryo .
Noch etwas, das Spectro in jener Nacht gesagt hatte (es mußte jene Nacht gewesen sein): "Ich frage mich wirklich, ob Sie genauso denken würden, wenn Sie nicht von all diesen Hunden umgeben wären. Wenn Sie statt dessen die ganze Zeit mit Menschen gearbeitet hätten."
"Dann sollten Sie mir lieber ein paar anbieten, statt solcher -ist das Ihr Ernst? -, solcher Riesenkopffüßer!" Die beiden Doktoren fixieren einander. "Ich bin gespannt auf Ihre Entscheidung."
"Ich nicht minder."
"Nehmen Sie den Kraken." Meint er damit: "Vergessen Sie Slothrop?" Ein spannungsgeladener Augenblick.
Aber dann lacht Pointsman sein bekanntes Lachen, dem er viel verdankt in einem Beruf, in dem es allzu oft nur ducken oder schlucken heißt. "Man rät mir dauernd, mich an Tiere zu halten. " Er meint einen Kollegen, längst verstorben, der ihm vor Jahren einmal einreden wollte, daß er menschlicher und wärmer würde, wenn er sich einen Hund hielte, auch außerhalb des Labors. Pointsman hat es versucht, Gott ist sein Zeuge, es war ein Springerspaniel namens Gloucester, wahrscheinlich ein ganz liebes Tier, aber das Experiment dauerte nicht einmal einen Monat. Was ihn schlußendlich über jedes erträgliche Maß hinaus verstörte, war die Unfähigkeit des Hundes, sein Verhalten logisch umzukehren. Er konnte Türen öffnen und den Regen und Frühlingsinsekten hereinlassen, aber er brachte es nicht fettig, sie wieder zu schließen ... er schmiß Mülleimer um, kotzte auf den Fußboden, aber war nicht in der Lage, das Ganze wieder aufzuwischen - wie sollte irgendein Mensch bloß imstande sein, mit solch einer Kreatur zu leben?
"Kraken", flötet Spectro, "begeben sich ausgesprochen fügsam unter das Chirurgenmesser. Sie überleben die Entfernung beträchtlicher Teile ihrer Gehirnmasse. Ihre angeborenen Reflexe in bezug auf Beute sind äußerst verläßlich -zeig ihnen eine Krabbe, HAPPS!, raus mit dem alten Tentakel, rein in die Giftküche, Mahlzeit! Und vor allem, Pointsman, sie bellen nicht!"
"Hm, tja. Nein ... Becken, Pumpen, Filter, Spezialfutter... Oben in Cambridge mag sich das ganz gut machen, aber hier... hier wird so verdammt geknausert, es muß an dieser verfluchten Rundstedt-Offensive liegen ... Von der P.W.E. sehen wir keinen Penny, wenn er sich nicht umgehend taktisch auszahlt, am besten gestern oder noch schneller. Nein, ein Krake ist viel zu kompliziert, nicht mal Pudding würde so was kaufen, nicht mal ein ruhmsüchtiger alter Träumer wie er." "Sie könnten ihnen unbegrenzt viel beibringen."
"Spectro, Sie wollen doch nicht den Versucher spielen?" Er kneift die Augen zusammen. "Oder doch? Sie wissen, daß wir uns ganz auf auditive Reize eingestellt haben. Die Stoßrichtung dieser Slothrop-Sache muß auf das Hörbare zielen, die Umkehrung, um die es geht, läuft ja auch akustisch ... Ich habe schon etliche Krakenhirne gesehen in meinem Leben, lieber Kollege, und glauben Sie nicht, ich hätte ihre riesigen, blühenden Sehsphären vergessen. Sie wollen mir ein Biest unterjubeln, dessen Wahrnehmung visuell orientiert ist! Was soll man denn schon sehen, wenn diese verdammten Dinger runterkommen?" "Die Glut." "Ha?"
"Eine rotglühende Kugel. Die runterstürzt wie ein Meteor." "Quatsch."
"Gwenhidwy hat erst letzte Nacht so was beobachtet, über Deptford."
"Was ich haben will", Pointsman beugt sich in den hellen Lichtkreis der Lampe, sein
weißes Gesicht verletzlicher als seine Stimme, und flüstert über die blitzende Nadel
einer Injektionsspritze, die aufrecht auf dem Tisch steht, "was ich wirklich brauche, ist
kein Hund, ist auch kein Krake, sondern einer Ihrer süßen Füchse. Verdammt noch
mal. Einen, kleinen, Fuchs!"
[1.9] Irgendetwas schleicht durch die Nebelstadt
Etwas geht um in der Rauchstadt, es sammelt schlanke Mädchen auf, blonde, puppensanfte, dutzendweise. Ihre kläglichen Schreie ... ihr klagendes Puppengeschrei ... plötzlich ein Gesicht in Großaufnahme und Sturz! über die starren Augen fallen cremefarbene Lider mit steifen Wimpern, schließen sich mit einem knallenden Schlag, irgendwo in ihrem Kopf hallen bleierne Gegengewichte wider, und Jessicas Augen klappen auf. Sie taucht gerade rechtzeitig ins Bewußtsein ein, um noch die letzten, peitschenden Echos der Explosion in der Ferne verschwinden zu hören, streng und schneidend, ein Winterklang ... Auch Roger wacht kurz auf, murmelt etwas, das wie "verdammter Irrsinn" klingt, und döst
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