Die Enden der Parabel
Nacht wird Kevin Spectro seine Spritze nehmen und sie irgendwo ins Dunkel jagen, um Fuchs ruhigzustellen (sein allgemeiner Gattungsname für die Patienten - lauf dreimal um das Haus, ohne an einen Fuchs zu denken, und du kannst wirklich alles heilen). Pointsman bleibt dann ruhig sitzen und genießt den Augenblick im Halbdunkel, bis das Gespräch wiederaufgenommen wird, das Schimmern der abgegriffenen Goldbuchstaben auf den Buchrücken, die duftenden Kaffeekrümel in der schmuddeligen, von Küchenschaben belagerten Ecke, das Gluckern des Winterregens im Fallrohr direkt vor dem Fenster... "Sie haben auch schon besser ausgesehen... "
"Es ist wieder dieser alte Bastard, er macht mich fertig. Andauernd diese Kämpfe, Spectro, jeden Tag wieder von vorn. Ich weiß nicht..." Er schielt mißmutig hinab auf seine Augengläser, die er gerade mit einem Hemdzipfel säubert, "es steckt mehr dahinter bei Pudding, als ich im Augenblick sehen kann. Andauernd hat er solche ... senilen kleinen Überraschungen in petto... " "Es ist das Alter. Bestimmt."
"Oh, damit werde ich fertig. Aber er ist so ein verdammter Bastard. Niemals schläft er, immer führt er irgendwas im Schilde-"
"Nicht Senilität, nein, ich meinte die Position, aus der er arbeitet. Sie haben doch noch immer nicht die gleichen Rechte wie er, Pointsman, oder? Sie können es sich nicht leisten, ähnliche Risiken einzugehen. Sie hatten doch Patienten in diesem Alter. Sie kennen doch diese eigentümliche... Überheblichkeit..."
Pointsmans eigener Fuchs wartet draußen in der Stadt, eine Kriegsbeute für ihn. Der winzige Büroraum hier ist wie die Höhle eines Orakels: Dampfschwaden steigen auf, sibyllinische Schreie ertönen aus dem Dunkel... Abreaktionen des Herrn der Nacht... "Ich bin nicht dafür, Pointsman. Wenn Sie schon fragen." "Warum nicht?" Schweigen. "Der Ehrenkodex?"
"Um Himmels willen, entspricht das hier etwa dem ärztlichen Ehrenkodex?" Er hebt einen Arm und deutet zur Tür des Krankensaals, fast ein Faschistengruß. "Nein, ich überlege nur, wie man es rechtfertigen könnte, als Experiment. Es geht nicht. Schließlich handelt es sich nur um einen einzigen Mann."
"Es handelt sich um Slothrop. Sie kennen doch die Geschichte. Selbst Mexico glaubt... na ja, das Übliche eben. Präkognition, Psychokinese. Die Kollegen haben eben ihre eigenen Probleme ... Aber angenommen, Sie würden einen wirklich
klassischen Fall unter die Finger kriegen, Spectro, eine klassische Pathologie, einen perfekten Mechanismus..."
Eines Nachts fragte Spectro: "Wenn er nicht eine der Versuchspersonen von Laszlo Jamf gewesen wäre - wären Sie dann genauso scharf auf ihn?" "Aber natürlich." "Hmm."
Die Vorstellung einer Rakete, die man erst kommen hört, nachdem sie explodiert ist. Die Umkehrung! Ein Stückchen Zeit, fein säuberlich herausgeschnitten ... ein paar Meter Film, die rückwärts ablaufen ... der Einschlag der Rakete, die mit Überschallgeschwindigkeit herabgestürzt ist - und dann erst wächst aus ihm heraus das Heulen ihres Sturzes, holt ein, was längst schon tot ist und brennt... ein Geist am Himmel...
Pawlow war fasziniert von der "Kategorie des Gegensatzes". Denken wir uns eine Gruppe von Nervenzellen auf der Rinde des Gehirns, dazu bestimmt, Lust von Schmerz zu unterscheiden, Licht von Dunkelheit, Herrschaft von Unterwerfung ... schwächen wir nun diesen Begriff des Gegensatzes, irgendwie, durch Hunger, Traumatisierung, Kastration, durch einen Schub in eine transmarginale Phase, jenseits des wachen Ichs, jenseits der "ausgleichenden" und "paradoxen" Phasen, dann haben wir plötzlich den paranoischen Patienten vor uns, der Herr sein will und darum sich als Sklave fühlt... der geliebt werden will und darum nur die Gleichgültigkeit seiner Umwelt wahrnimmt, und, Pawlow in seinem Brief an Janet, "ich habe die Kühnheit anzunehmen, daß eben diese ultraparadoxe Phase den Grund für die Abschwächung des Begriffs des Gegensatzes bei unseren Kranken bildet". Bei unseren Irren, unseren Paranoikern, Manischen, Schizoiden, moralisch Imbezilen - Spectro schüttelt den Kopf. "Sie stellen die Reaktion vor den Reiz." "Keineswegs. Denken Sie nach. Er ist irgendwo draußen und kann fühlen, wie sie kommen, ganze Tage im voraus. Aber es ist ein Reflex, ein Reflex auf etwas, das schon jetzt in der Luft liegt. Etwas, für das unsere Sinne viel zu grob sind, es zu fassen - aber Slothrop kann es." "Dann wäre es übersinnlich."
"Sagen wir doch: Es war die ganze Zeit vorhanden, wir
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