Die Enden der Parabel
die Hunde kehrten zurück. Ob es interne Spannungen und Hierarchien unter ihnen gibt, Liebe,
Loyalität, Eifersüchteleien, ist von außerhalb nicht auszumachen. Eines Tages könnte sich die G 5 zu einer militärischen Lösung im großen Stil entschließen. Doch den Hunden mag das gleichgültig, mag die deutsche Angst vor Umzingelung fremd sein - sie leben vielleicht ausschließlich im Licht des einen, von Menschen in sie eingepflanzten Reflexes: Töte den Fremden. Vielleicht haben sie keine Möglichkeit, diesen Reflex von den anderen vorgegebenen Größen in ihrem Leben zu unterscheiden - von Hunger oder Durst oder Sex. Soviel sie wissen, ist ihnen das Töte-den-Fremden angeboren. Wer überhaupt von ihnen sich der Schläge, der Elektroschocks, der zusammengerollten, von niemandem gelesenen Zeitungen, der Stiefel und Stachelstöcke erinnert, verknüpft solche Erinnerungen mit dem gehaßten Fremden. Wenn es Ketzer unter diesen Hunden geben sollte, dann muß ihre Häresie darin bestehen, eine außerhündische Quelle für diese Eruptionen jäher Mordlust zu proklamieren, die auch die nachdenklichen Ketzer selbst überwältigen, sobald der erste Geruch nach Fremdling an ihre Nasen dringt. Zu Hause jedoch erinnern sie sich an das verblaßte Bild jenes einen Menschenwesens, das sie nur in Abständen besuchte, in dessen Gegenwart jedoch sie ruhig waren und zutraulich - das ihnen Futter brachte, sie kraulte, streichelte, Hol-das-Stöckchen mit ihnen spielte. Wo steckt es jetzt? Warum sieht die Erinnerung bei manchen anders aus - und bei anderen nicht?
Es gibt bei den Hunden - latent bis jetzt, weil nie ernsthaft getestet - eine Anlage zur Sektenbildung, jeweils um die Person ihres Trainers. Tatsächlich läßt die G 5 im Augenblick eine Projektstudie auf Stabsebene durchführen, mit der festgestellt werden soll, ob man nicht der ursprünglichen Trainer habhaft werden und die Sektentheorie in die Praxis umsetzen könnte. Jede der hündischen Glaubensgemeinschaften würde versuchen, ihren Trainer vor den Angriffen der übrigen zu schützen. In geeigneten Kombinationen, und eine gewisse Verlustrate an Trainern in Kauf genommen, könnte es billiger kommen, die Hunde in einem Glaubenskrieg sich selbst aufreiben zu lassen, als ein größeres Truppenkontingent in Marsch zu setzen. Die Projektstudie ist, ausgerechnet, bei Mr. Pointsman in Auftrag gegeben worden, der sich jetzt mit einem winzigen Büro im Zwölften Haus bescheiden muß, da die übrigen Räume des Gebäudes einer Dienststelle zur Klärung der Vorfragen einer Kohle/Stahl-Verstaatlichung überlassen worden sind. Er hat den Job wohl größtenteils dem Mitleid zu verdanken. Seit der Kastration von Major Marvy ist Pointsman offiziell in Ungnade gefallen. Clive Mossmoon und Sir Marcus Scammony sitzen, umgeben von ausrangierten Remittenden von British Plastics, in ihrem Club und trinken den Lieblingsdrink des Knights, Quimporto - eine grauenhafte Vorkriegsmixtur aus Chinin, Fleischbrühe und Portwein - mit einem Schuß Cola und einer geschälten Zwiebel. Vorgeblicher Grund ihres Treffens ist es, die Planungen für die Produktion des Nachkriegsregenmantels aus Polyvinylchlorid abzuschließen, eine stete Quelle korporativer Kurzweil in diesen Tagen ("Stell dir nur mal den Gesichtsausdruck von so einem armen Trottel vor, wenn ihm plötzlich der ganze Ärmel aus der Schulter fällt -" "O-oder könnten wir denn nicht etwas reinmischen, was sich im Regen tatsächlich auflöst?"). Aber in Wahrheit möchte Mossmoon über Pointsman sprechen: "Was sollen wir mit Pointsman machen?" "Unheimlich süße Stiefel hab ich in der Portobello Road gesehen", flötet Sir Marcus, den man nur schwer dazu bringt, übers Geschäft zu reden. "Die würden Ihnen toll stehen, blutrotes Korduan, und hinauf bis auf die Mitte Ihres Schenkels. Ihres nackten Schenkels."
"Wir werden es versuchen", erwidert Clive so neutral wie möglich (obwohl das ein Einfall wäre - die alte Scorpia ist in letzter Zeit verdammt gemein gewesen). "Ich könnte wirklich eine Abwechslung vertragen nach diesem Ärger, den uns Points-man höheren Orts eingebrockt hat."
"Ach, der Hunde-Kerl. Sagen Sie mal, haben Sie je an einen Bernhardiner gedacht? So große, zottelige Schätzchen!"
"Gelegentlich", Clive bleibt beim Thema, "aber die meiste Zeit denke ich an Pointsman."
"Nicht Ihr Typ, Schätzchen! Überhaupt nicht. Und er wird langsam älter, das arme Kerlchen."
"Sir Marcus!" Das letzte, verzweifelte Mittel, normalerweise
Weitere Kostenlose Bücher